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Blogbeiträge

Workation mit Rad und Ruhr

Ortsunabhängig zu arbeiten, ist für mich an sich nichts Neues. Und die damit verbundenen Herausforderungen kenne ich nur zu gut. Je nachdem, wie lange man ein einem Ort bleibt, fordert Dich die Suche nach einem oder mehreren geeigneten Arbeitsorten mit Internetanschluss, Rückzugsmöglichkeiten – zum Beispiel um in Ruhe sprechen zu können – und ergonomischen Sitzgelegenheiten. Bei meinen privaten Recherchereisen, habe ich auch schon so etwas wie Workation praktiziert. Oft habe ich dann aber kaum Online-Termine, höchstens mal ein Telefonat oder einen Video-Call. Abwesenheit von einem festen Schreibtisch mit strukturierten Arbeitsprozessen und Team-Einbindung zu verbinden, erscheint mir schwerer. Und unabhängig von praktischen Herausforderungen habe ich innere Hürden zu überwinden. 

Ruhrtal-Idylle

Weil ich mir die Selbsthilfewerkstatt und Rad-Café „Radgeberin“ in Witten anschauen möchte, mache ich mich auf den Weg nach NRW. Dort habe ich mir einen Campingplatz raus gesucht, der direkt an der Ruhr liegt und von dem aus ich das Ladengeschäft gut am nächsten Tag zum Feierabend erreichen kann. Nach der Ankunft habe ich nicht viel aufzubauen, ein Gewitter zieht schnell durch und so habe ich Gelegenheit, noch eine Runde mit dem Rad zu drehen. Dabei erkunde ich bereits die nähere Umgebung, um einen Spot zu finden, von dem aus ich am nächsten Tag arbeiten kann. Denn auf dem Campingplatz gibt es wider erwarten kein W-LAN.  Dass das Ruhrtal nett sein soll, sobald man südlich aus Bochum oder Essen abbiegt, hatte ich schon vor Jahren gehört. Das ist stark untertrieben: die Strecke entlang des Flusses ist atemberaubend schön. Und zudem industriekulturell sehenswert. Ohne Workation hätte es wahrscheinlich ewig gedauert, bis ich das einmal selbst heraus gefunden hätte.

Co-Working mit Herausforderung

Mit dem Rad zur Arbeit entlang der Ruhr: Im nahe gelegenen Velbert, habe ich ein „Cycle Café“ gefunden, auf das mich eine Freundin aufmerksam gemacht hatte. Ich erreiche den Ort am nächsten Morgen zwar deutlich vor meinem ersten 1 1/2 stündigen Termin, aber das Cycle Café macht erst später auf. Ich orientiere mich im näheren Umfeld und in Ermangelung von Alternativen bitte ich beim Asia-Restaurant gegenüber um Asyl und darf auf der Terrasse, mit Blick auf den Busbahnhof, sitzen. Hier störe ich nicht, habe aber die ersten 30 Minuten auch kein W-LAN, was die Kommunikation und Zusammenarbeit über mobile Daten erschwert. Als das Café öffnet, habe ich dann alles was ich brauche, um vernünftig arbeiten zu können. Das Cycle Café scheint nicht explizit auf Co-Worker ausgerichtet zu sein. Eigentlich ist es ein exklusiver Radladen für sportlich ambitionierte Menschen mit Renn- und Gravelbikes, denen auch Kaffee und Kuchen geboten wird. Aber ein hoher Tisch am Fenster, W-LAN und ein Cappuccino machen mir das (Arbeits-)Leben leicht. Auch hier störe ich nicht.

Das Cycle Café in Velbert ist ein exklusiver Radladen, in dem man auch Kaffee und Kuchen bekommt. Co-Working ist möglich, aber wahrscheinlich nicht die Regel, denke ich.

Workpacking ohne Lastenrad

Gunnar Fehlau beschreibt seine Worpacking-Tour (Infos hier und unter https://workpacking.de) immer wieder gerne als Van-Life ohne Van. Ich radle zur Mittagszeit zu meinem Bus zurück und richte mich dort für weitere Termine und zum Arbeiten ein. Die Sonne scheint und ich muss ein Sonnensegel installieren. Und ich sitze so bequem, wie auf der eigenen Terrasse. Bei Regen könnte ich hier nicht arbeiten. Es sei denn ich läge mich auf den Bauch in den Bus, oder baute ein Vorzeit auf. Auch die Wege wären nach einem Regenguss spätestens am Zielort mit nassen Klamotten eine Herausforderung.
Für den Rest des Arbeitstages reicht das mobile Datennetz aus. Es ist ein bisschen wie eine Fahrt mit der Deutschen Bahn, auf der man auf W-LAN spekuliert hat, das es dann doch nicht gibt. Mit dem Unterschied, dass man hier bei der Nutzung des eigenen Datenvolumens nicht durch irgendwelche Funklöcher fährt. Ebenso zuverlässig wie bei der Bahnfahrt habe ich Strom für die Geräte. Und das Smartphone zieht durchaus Akku bei Teams-Calls. Sprechen kann ich hier uneingeschränkt: ich bin tagsüber alleine auf diesem Teil des Platzes, ab und zu klingelt ein Radfahrer, weil die Radroute entlang der Ruhr hier quasi über den Platz führt und vorne eine enge Kurve ist, in der man den Entgegenkommenden nahe kommt.

Auf dem Weg nach Osten in Richtung Witten, geht’s durch die Ruhrtalauen. Ein atemberaubend schöner Landstrich, den ich so hier im Ruhrgebiet nicht erwartet hätte.

Innere Hürden überwinden

Ich frage mich, ob ich zu so einer Workpacking-Tour, wie sie Gunnar unternimmt, auf Dauer in der Lage wäre? Auch zu Hause, ziehe ich mich irgendwann von der Terrasse zurück ins Arbeitszimmer. Und muss mich dann nicht in Sachen Strom und Internet neu orientieren. Das Wetter im Arbeitszimmer ist auch meist stabil und die Ergonomie ebenso wie Schatten und mögliche Blendungen berücksichtigt.
Unabhängig davon, bin ich unheimlich gerne draußen und unterwegs. Ich sehe und lerne gerne Neues – das ist gut für meinen Kopf und fordert mich heraus. Viel mehr als ein Tag im Büro oder im Home-Office. Und dennoch auch in Bezug auf tiefe Überzeugungen. Workation ist zwar ein Trendthema und klingt nach Leichtigkeit und fast purem Vergnügen. Aber auch bei dieser Art zu arbeiten, will die Arbeit selbst erledigt und Termine eingehalten werden. Daher fällt es mir schwer los zu kommen, bei dem Gedanken das eine mit dem anderen zu verbinden. Einen weiteren Anlauf und wertvolle Erfahrungen habe ich jetzt mal wieder gemacht.

Entlang der Ruhr findet man an vielen Orten kleine Camping- und Wohnmobilstellplätze. Oft steht man fast direkt am Wasser, nur – wie hier – durch Grün und den Ruhrtalradweg davon getrennt.

Cycle Cafe Velbert