Donnerstagabend und wir sind ein paar Kilometer weiter nördlich an die Küste gefahren und bleiben über Nacht im Bulli. Nichts, was wir nicht auch tun könnten, wenn wir freitags nicht frei hätten. Und wie sich zeigen wird, werde ich an diesem Freitag – vor lauter Begeisterung – noch einige Zeit arbeiten und bis in den Abend Termine koordinieren. Mein Verständnis von Arbeit, hatte sich schon vor Beginn der Vier-Tage-Regelung so grundlegend geändert, dass ich solche Ausnahmen von meinen selbst aufgestellten Regeln gut mit mir vereinbaren kann. Rund ein Jahr ist es her, dass ich mich für eine grundsätzliche, sprich: unbefristete Teilzeitregelung entschieden habe. Und anfänglich war das gar nicht so einfach, mich selbst an diesem zusätzlichen freien Tag auszubremsen und nicht „dann doch“ oder „ausnahmsweise, weil es so wichtig ist“ Termine zu machen oder zu arbeiten. Meine erste offizielle Vier-Tage-Woche hatte bezeichnenderweise sechs Arbeitstage. Arbeit in Zeit zu bemessen, kam mir schon immer fremd vor. Ein zusätzlicher freier Tag, erlaubt mir vor allen Dingen auch mein Verständnis von Leben und Arbeiten, Engagement und Ruhebedürfnis viel besser in Einklang zu bringen. In den letzten Monaten, steht diese Erfahrung naturgemäß unter dem Eindruck von viel Remote Arbeit – auch dazu möchte ich ein paar Worte schreiben.
(S)chillig nach einer 4-Tage-Woche
Dieser Donnerstag war zugegebenermaßen nicht mein Tag, ich habe irgendetwas ausgebrütet und konnte mich nur schlecht konzentrieren. Das hohe Maß an digitaler Kommunikation und die oft damit verbundene mangelnde Bewegung, machen es dann nicht eben besser. Ja, und die Zeit für Zusammenarbeit verdichtet sich auch auf weniger Arbeitstage, wenn man sich den Freitag frei hält . Es hat letztes Jahr ein paar Wochen gedauert, bis ich gemerkt habe, dass eine klare Regel erforderlich ist. Keine Termine am Freitag, keine Telefonate o.ä. Es sei denn, es ist so wichtig, dass man es auch Samstag dienstlichen der Sonntag tun würde. Tage, an denen ich auch sonst bei wichtigen Fragen und Anlässen ohne groß darüber nachzudenken gearbeitet habe. Arbeit sollte sich aus meiner Sicht nicht nach Zeit und auch nicht nach Tageszeit oder Wochentag bemessen, sondern nach Ziel und Inhalt. Und so sitze ich nach einem ausgedehnten Spaziergang vor unserem Bus, in dem wir spontan die Nacht verbringen werden und denke darüber nach, dass ich anders erzogen wurde. Und mir dies vieles schwerer gemacht hat als nötig.
Remote Work und Bewegung
Durch die Entwicklungen der letzten Monate, lässt sich dieses Verständnis von Arbeit kaum von der Erfahrung mit umfangreicher digitaler Kommunikation und Interaktion trennen. Ich habe auch schon vor Corona an verschiedenen Orten und eben auch von zu Hause aus gearbeitet. Auch so etwas, das ich für völlig normal und natürlich halte, das aber nicht immer und überall auf Akzeptanz trifft. Homeoffice und Teilzeit klingt für viele nach „Ferien auf dem Bauernhof“ und das man auch remote und z.B. bis in die Abendstunden sehr produktiv sein kann, stellen viele erst heute fest. Durch Einflüsse von außen, die sehr große Teile der Bevölkerung – vor allen Dingen aber uns als Gesellschaft – dazu zwingen, diese Erfahrung zu machen. Und auf einmal scheint viel mehr möglich, als noch vor kurzer Zeit überhaupt vorstellbar war. Mir werden indes die Grenzen aufgezeigt: hatte ich den zusätzlichen Freiraum durch die Vier-Tage-Woche vor allen Dingen auch dafür genutzt um in Bewegung zu kommen und eigene Projekte anzustoßen und zu verfolgen, merke ich jetzt, dass intensive remote Arbeit Bewegungsmangel und auch weniger physische persönliche Interaktion mit sich bringt. Es gibt nicht einmal mehr den Weg zur Arbeit und auch wenn ich mich bemühe, Telefonate z.B. mit einem Spaziergang zu verbinden, wird die Situation insgesamt nicht eben besser. Ich vermisse den persönlichen Kontakt und die tatsächliche Abwechslung, die einen großen Teil meiner Arbeit ausmacht.
Digital Office
Ich merke deutlich, dass sich nach Wochen kollektiver remote Erfahrung, eine Art Anpassungseffekt einstellt. Die Termindichte steigt, der Einsatz geeigneter Tools führt zu produktiven aber oft auch stundenlangen Workshops. Der Versuch, das Defizit auszugleichen, dass sich daraus ergibt weil man nicht im gleichen Raum sitzt, erfordert zusätzlich Konzentration und Disziplin. Das sind Arbeitssituationen, die es schwierig machen, sich zu bewegen oder den Kopf frei zu bekommen. Während ich sonst gerne auch abseits der Projektarbeit zum Rechner gegriffen habe, ist mein Bedarf etwas anderes zu tun, in Bewegung zu kommen, etwas mit den Händen anzupacken, deutlich größer als zuvor. Das lange Wochenende erscheint mir dann manchmal schon zu kurz dafür und zugleich bleiben persönliche Initiativen, die die Arbeit am Rechner erfordern, hinter meinen eigenen Erwartungen zurück. Nicht zuletzt deshalb, konnte ich mich dann an diesem Freitag für die ersten Ergebnisse und Prototypen in Sachen remote Work begeistern. Und schwebt eine Verbindung zwischen analoger und digitaler Weit vor, die auch hybride Veranstaltungen und ein Erleben im Raum zulässt. Diese Begeisterung zum Beispiel stelle ich ja nicht am Freitag pflichtschuldig ab. Genauso wie ich zu verschiedenen Zeiten Ideen weiter entwickle und in Gedanken bei Projekten bin. Die Trennung von Arbeit und Freizeit, ist mit eine der größten Herausforderungen, finde ich. Und das gilt bei Remote Arbeit ebenso wie bei der Vier-Tage-Woche.
Und bevor ich es vergesse: inspiriert zu diesem Blogbeitrag hat mich Melanie mit ihrem Aufruf zur Blogparade zum Thema Teilzeit. In den kommenden Wochen findet ihr die gesammelten Werke unter ihrem Aufruf hier.
Ach und noch etwas: wenn ihr jetzt total neugierig seid und unseren Prototypen testen wollt, dann lasst es mich wissen. Freue mich über Kommentare oder eine Nachricht an f.glaner(a)gmx.net