Dass die Begriffe Akzeptanz, Partizipation und Beteiligung schwer voneinander abzugrenzen sind – vor allen Dingen dann, wenn es um die praktische Umsetzung geht – habe ich bereits dargelegt. Ich habe mich entschieden, im Weiteren von Beteiligung zu sprechen und diese damit ganz konkret vom mehr oder weniger fest stehenden Begriff der „Bürgerbeteiligung“ abzugrenzen. Auf dem Weg zu einer fachlichen Auseinandersetzung, stellt sich als nächstes die Frage: wie sieht denn Beteiligung in der Praxis aus und welche konkreten Schritte kann ich unternehmen, um diese zu erreichen? Im Energiewendeprojekt enera (https://projekt-enera.de), haben wir uns der Einbindung von Menschen und gesellschaftlichen Gruppen von verschiedenen Seiten genähert. In erster Linie ging es dabei um die technische Entwicklung einer Schnittstelle zum Anwender. Und die Schritte auf dem Weg zur Realisierung dieses so genannten Interfaces, dienten ebenso dem Ziel die Kommunikation zu strukturieren. Dabei kam es zu durchaus bemerkenswerten Aktionen und Erkenntnissen.
Human Centered – Beteiligung wie sie sein sollte
Nach unserem Besuch in Oxford, hatten wir eine Menge Hausaufgaben mitgenommen (siehe Teil 1 dieser Serie). Wir wussten jetzt, worauf wir achten mussten. Wie es uns gelingen sollte, in vorhandene soziale Netzwerke vorzudringen, mit Einzelpersonen in Kontakt zu treten und den Nutzen für den Einzelnen in möglichst kleinen, in sich geschlossenen Lernkurven bis zu einem ersten Prototypen (oder MVP) zu entwickeln, wussten wir noch nicht. Ein quantitaitiv-statistsiches Vorgehen, schied aufgrund der mangelnden Datenlage und dem mit dem Verfahren verbundenen Zeitverlust aus. Wir entschieden uns dazu qualitative Interviews zu führen, die dazu dienen sollten, einzelne Menschen in der betrachteten Region anhand von strukturieren Fragestellungen kennen zu lernen. Und zwar in Bezug auf die technische Ausstattung und Anschlussfähigkeit, aber insbesondere auch in Bezug auf die soziale Vernetzung. Woher bekommen die Menschen ihre Informationen, wie schätzen sie diese ein und auf welche Art und Weise sind die Einwohner der Region digital und im realen Leben vernetzt? In Bezug auf diese Netzwerke, ergaben die Befragungen erste wichtige Erkenntnisse. Aber es brauchte noch mehr.
Partizipation – unmittelbar dabei sein
Was wir während der Interviewphase lernten war, dass die Menschen im unmittelbaren Kontakt sehr aufgeschlossen reagieren und wir nicht nur aus den Gesprächen, sondern vor allen Dingen auch aus dem Kontext – die Wohnumgebung, die Situation vor Ort, die Auskunftsbereitschaft – viele wertvolle Rückschlüsse ziehen konnten. Die Ansprechpartner hatten wir durch unmittelbare Kontaktaufnahme im Projektumfeld identifiziert und für die Gespräche gewinnen können. Insofern war eine breite Übertragbarkeit nicht nur aufgrund äußerer Faktoren wie Bildung, Ausbildung und sozialem Status schwierig. Die Begegnungen waren nicht zufällig, sondern basierten auf der positiven Bereitschaft der Probanden, mitzuwirken. An dieser Stelle, setzt die Idee eines Roadtrips an. Mitarbeiter aus dem Projekt haben sich auf den Weg durch die Modellregion gemacht. Und zwar autark mit zwei elektrisch unterstützten Transporträdern und dem Ziel nicht nur über das Projekt zu informieren – im persönlichen Gespräch, ebenso wie über Socialmedia und klassische Medien wie die Tagespresse – sondern eben auch zufällige Begegnungen zu initiieren und unmittelbar mit Menschen in Kontakt zu kommen.
Roadtrip: ungewöhnliche Wege gehen, lohnt sich
Die positiven Erfahrungen aus den Einzel-Interviews setzten sich auf dem Roadtrip eins zu eins fort. Und zwar, sowohl, was Inhalt und Umfang der Gespräche anging, als auch den Mehrwert des unmittelbaren Kontextes. Ein quasi zufälliger Besuch auf einen Bauernhof, bei dem nach und nach immer mehr Familienmitglieder hinzu kommen und in dessen Verlauf wirtschaftliche und soziale Hintergründe, Ausbildung und Betriebsführung zum Thema werden, lässt sich kaum anders initiieren. Binnen jeweils rund einer Woche, konnten in zwei aufeinander folgenden Jahren mehr ca. 500 Gespräche geführt werden. Unterstützend wirkte neben der lokalen Berichterstattung auch die digitale Vernetzung über die sozialen Medien. Es gelang mit dem eher ungewöhnlichen Vorgehen, gleich auf mehreren Ebenen der Versuch, auch geeignete Netzwerk- und Kommunikationsformate zu identifizieren. Und dabei insbesondere Online- und Offline-Initiativen zu verknüpfen. Vorträge und Netzwerktreffen rundeten den Roadtrip ab, so dass in der Folgezeit methodisch und inhaltlich auf die Ergebnisse und Erkenntnisse zurück gegriffen werden konnte.
Barcamp – mehr Beteiligung geht nicht
Ein weiteres, eher ungewöhnliches Format – zumindest für die Nordwestregion – ist ein Barcamp, das sich als themenoffenen Veranstaltung an regionale und überregionale Interessierte richtete. In drei aufeinander folgenden Jahren, kamen insgesamt 180 Teilnehmer zu dieser „Unkonferenz“ und legten dabei selbst die Tagesordnung fest. Außerdem trugen sie mit ihrem Beitrag zum Gelingen bei. Befürchtungen, dass der Charakter als themenoffene Veranstaltung zu wenig zielführenden Ergebnissen führen könnte, erwiesen sich als unbegründet. Im Gegenteil wurde ein breites und dennoch unmittelbar an die Herausforderungen des Projektes und dessen Aufgabenstellung angelehntes Spektrum von Themen diskutiert. Dazu beigetragen hat auch, dass Entwicklungsansätze und z.B. erste Prototypen von Beteiligten aus dem Projekt vorgestellt wurden und bei den Teilnehmern auf großes Interesse stießen. Neben dem Bekanntheitsgrad des Projekts, konnte das regionale Netzwerk weiter ausgebaut und insbesondere Netzwerkknoten und Schlüsselakteure identifiziert werden. Die Ungewöhnlichkeit des Formats trägt dabei unmittelbar zur Qualität der Diskussion und zur Aufgeschlossenheit der Teilnehmer bei.
Dies ist der zweite Teil einer kleinen Serie zum Thema Beteiligung, mit der ich mich an die Erarbeitung eines Fachbeitrages annähern möchte. Habt ihr Ideen oder Anregungen. Dann immer her damit, ich freue mich sehr. Den dritten Teil gibt’s hier.