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Blogbeiträge / Magazin / Radreisen

Wie Fahrrad fahren Dein Leben verändert

Eine Reise kann Dich verändern, so viel scheint klar. Das kann vielleicht auch das richtige Buch oder vielleicht sogar ein Film? Wie groß die Veränderung durch eine Reise per Rad ist, hatte ich bis jetzt nicht richtig verstanden. Und doch habe ich es erlebt. Wenn ich zurück blicke, waren die Radreisen einschneidende Erlebnisse. Und da waren nicht nur die langen Touren – als Jugendlicher quer durch Deutschland von Nord nach Süd mit meinem Bruder, etwas später quer durch Europa und mit Anfang/Mitte 30 nach Polen und das Baltikum. Da waren vor allen Dingen auch die vielen kleinen Reisen und Auszeiten – mit meinen Söhnen und Freunden. Tage und Wochen, Länder und Städte, ganz egal: immer ist etwas passiert. Und zwar auch mit mir. Ich habe noch nicht alles verstanden und dies ist er Versuch, etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Vor allen Dingen, habe ich mich entschlossen, die vorhandenen Radreiseberichte die im Laufe der Jahre entstanden sind, hier im Blog zu veröffentlichen. Auch wenn manche Reise schon weiter zurück liegt. 

Mit 16 quer durch Deutschland

Einmal von Norden nach Süden, aus der Heimatstadt Oldenburg bis zum Bodensee, fast 1.000 Kilometer. Meinen fünf Jahre älteren Bruder und mich, verband bis zu dieser Tour zu zweit nicht viel miteinander. Aber nach diesen gemeinsamen Wochen auf dem Rad war das anders. Und nicht nur das: mir war damals gar nicht bewusst, wie ungewöhnlich diese Reise war. Und vor allen Dingen, wie ich daran gewachsen bin. Wir waren auf uns alleine gestellt, haben Unbekanntes kennen gelernt und Menschen getroffen. Wir haben im besten Sinne des Wortes Erfahrungen gemacht, sind nach einem Unwetter statt am Rhein an der Mosel weiter geradelt. Und mit schlafwandlerisches Sicherheit und der Unnachgiebigkeit zweier „Flachland-Cowboys“ auf dem höchsten Berg des Schwarzwaldes gelandet. Sehe heute noch das hölzerne Schild vor mir: „Willkommen auf dem Feldberg, dem höchsten Berg im Schwarzwald 1.493 Meter über Normal Null“. Dabei waren wir nur zu starrsinnig gewesen, eine andere Route um den Berg herum durch ein Tal zu unserem Ziel am Bodensee einzuschlagen. 

Diese Bild entstand 2003 in Kolobrzeg (Kolberg) auf einer Tour, die mich mit Anfang 30 quer durch den sehr ursprünglichen Norden Polens führte.

Von Texel nach Prag: des Geldes wegen

Das mit den unnötigen Fahrten über höhere Berge setzte sich auch später fort. Über den Vogelberg, bin ich zum Beispiel ebenso mitten drüber geradelt. Der Sinn einer Umgehung erschloss sich mir mit den Motorradkarten nicht, die mein Vetter mir in Köln mitgegeben hatte. Ich hatte spontan entschieden von Texel aus in die zu diesem Zeitpunkt Anfang der 90iger noch tschechoslowakische Hauptstadt zu fahren. Ich hatte mir das Geld für den Urlaub mit einem Job im Fahrradladen verdient und zur Seite gelegt. Und wusste aus den bisherigen Erfahrungen – wir waren nach der Tour durch Deutschland unter anderem in Holland und mit einer großen Schleife über England unterwegs – wie viel Geld ich am Tag benötigte. Ein Zirkelschlag hätte mich so sicher nach Paris und mit etwas schmalerem Budget bis nach Prag befördert. Die Entscheidung stand schnell fest. Der eiserne Vorhang war kurz zuvor gefallen und so machte ich mich auf den Weg. Ganz alleine und ohne jemanden um Erlaubnis fragen zu müssen. Ich war noch keine zwanzig Jahre alt und genoß es sehr, so unabhängig und selbstbestimmt zu sein. Danach habe ich immer sehnsüchtig an diese Touren gedacht, aber das Gefühl und die Erfahrungen nicht in meinen Alltag als junger Familienvater transportieren können. Es war wie eine andere Welt. 

Reisen in der Zeit: mit dem Rad habe ich wiederholt die Region im Nordosten Polens besucht, aus dem ein Teil meiner Familie stammt

Am Scheidepunkt: Polen und Baltikum

Morgens nicht zu wissen, wo ich abends sein würde. Das Gefühl, auf sich allein gestellt zu sein, für sich selbst verantwortlich. Die Gleichmäßigkeit der Bewegung, des täglichen Rhythmus und die Langsamkeit der Fortbewegung. Die Begegnungen, das Erleben – das alles gefiel mir und ich hatte es über lange Zeit aus dem Blick verloren. Die Gründung einer Familie, Ausbildung, Studium und der Bau eines Hauses – ich war nicht einmal 30, als ich mit den „großen Dingen“ durch war. Angekommen in einem Leben als Ingenieur, ohne zu wissen was dieses Leben von mir erwartete. Ich war orientierungslos, jetzt wo alles erledigt schien. Und so setzte ich mich erneut aufs Rad. Ich begab mich auf die Spuren meiner Familie und reiste vom ehemaligen Ostpreußen aus, entlang der russischen Enklave Kaliningrad und der Ostseeküste einmal durch Polens Norden. Ich war wieder alleine mit dem Rad unterwegs, wieder einmal rund 1.000 Kilometer. Aus heutiger Sicht, markiert diese Tour eine fundamentale Veränderung in meinem Leben. So wie es war, konnte es nicht bleiben. Und der Schlüssel lag darin, sich auf sich selbst zu besinnen und mit sich selbst in Reine zu kommen. Sich auf den Weg zu machen. 

Am Strand Radfahren: südwestlich von Riga geht das auf einigen Kilometern – unvergesslich!

Fahrradinitiative und kleinere Touren

Das allein war aber noch nicht des Rätsels Lösung. Ich behaupte nicht, dass Radfahren der Weg und Ausweg ist. Jedenfalls nicht für mich. Nach einer weiteren Tour mit einem Freund durch das Baltikum, von Riga ausgehend bis hinunter in den Norden Polens, war für mich mit langen Touren erst einmal Schluss. Es hat mich einfach nicht mehr gereizt. Das ist immerhin schon mehr als zehn Jahre her. Und doch bin ich viel mit dem Rad auf Tour. Über Jahre war ich regelmäßig mit meinem Sohn auf dem Rad unterwegs. Dabei immer weniger als klassischer Radurlaub über lange Distanzen, sondern zunehmend als Städtetouren per Rad. Dies ist irgendwann zu unserem jährlichen Highlight geworden, das fest in unserem Plan stand. Und ich behaupte, es hat auch uns über die Jahre immer wieder näher und anders zusammen gebracht. 

Zeitgleich, habe ich über Jahre zu Hause vor Ort an einer Initiative zur Förderung des Radverkehrs mitgewirkt. Auch in diesem Zusammenhang fanden zahlreiche Touren statt und es es war ein willkommener Ausgleich, um selbstbestimmt ganz neue Wege in der Kommunikation und Zusammenarbeit zu finden.

Auf der Kurischen Nehrung auf einer der größten Wanderdünen Europas entstand dieses Bild. Die gesamte Tour von Riga bis in den Norden Polens war abenteuerlich.

Radreiseberichte aus dieser Zeit

Bereits Ende der 90iger Jahre hatte ich zudem angefangen, für ein kleines Fahrradmagazin zu arbeiten. In die Zeit dieser Tätigkeit fielen auch verschiedene Radtouren, die ich damals auch in Form von teils mehrteiligen Artikeln verarbeitet habe. Und sogar „Diavorträge“ dazu gehalten, die durchaus gut besucht waren. Ein „Frühwerk“ als Blogger wenn man so will und ich habe mich entschieden, diese Beiträge zumindest teilweise in diesem Blog erneut zu veröffentlichen. Vielleicht hat ja der eine oder andere Lust mit mir auf Zeitreise zu gehen. Bei der ersten Reise, geht es aus meiner Sicht tatsächlich um eine Art Zeitreise: es handelt sich um die Tour durch den Norden Polens, die mich auf die Spuren meiner eigenen Familie geführt hat.

Der Start der Serie findet ihr hier.