Menu
Blogbeiträge

Beteiligung als Herausforderung

Die Themen Beteiligung und Partizipation stoßen in Zeiten der Pandemie an besondere Grenzen und teils besonders hohe Hürden. Die aktuelle Situation rund um Corona, stellt uns vor vielfältige Herausforderungen. Und zwar auf persönlicher und familiärer Ebene, ebenso wie in Bezug auf die berufliche Zusammenarbeit. Wie aber organisieren wir unsere soziale Interaktion in einem weniger strukturierten und institutionalisierten Umfeld? Zu Beginn der Pandemie, haben viele darauf vertraut, dass es sich dabei um ein temporäres Problem handelt. Das man baldmöglichst – binnen Wochen – überwinden kann. So sah es zunächst auch aus, aber die Lage nach mehr als einem Jahr mit Öffnungen und Schließungen, „Lockdowns“ und Lockerungen, spricht eine andere Sprache. Ich habe viel gesehen und erlebt in Bezug auf das Thema Beteiligung in den vergangenen Monaten. Auch viele positive Ansätze, aber es bleibt schwierig und herausfordernd.

Innovation Cycle

Ich denke schon darüber nach ein weiteres Innovation Cycle zu machen. Ein Format, dass mit ausreichend Abstand, in einer kleinen Gruppe sehr gut in Präsenz funktioniert. Letztes Jahr, haben wir das frühzeitig terminiert und mit den Teilnehmern vor allen Dingen auch über das Arbeiten und die Kollaboration der Zukunft gesprochen. Und zwar unter dem Eindruck der ersten, damals noch als unendlich einschränkend empfundenen Wochen der Pandemie. Die Ergebnisse habe ich buchstäblich jeden Tag vor Augen: das Graphic Recording hängt hier in meinem Arbeitsbereich. Und ich stelle fest, dass Vieles von dem was wir damals besprochen und erarbeitet haben, nach wie vor Bestand hat. Vor allen Dingen die menschlichen Faktoren – Nähe, Gefühle, Vertrauen, Austausch, Entwicklung und Lernen. Mittlerweile denke ich beim Blick auf die „KI-BOX“ an erste Gehversuche mit Virtueller Realität. Und daran, wie erstaunt ich war, dass das Thema „Kamera an“ sich nicht nur weitestgehend durchgesetzt hat. Sondern mehr noch: es gelingt in vielen Gesprächen bereits echte, ausdifferenzierte Gefühlsdimensionen zu übermitteln.

Die Ergebnisse des Innovation Cycle im Juli 2020 erscheinen heute noch einmal in einem neuen Licht: wir haben noch mehr „unfreiwillige“ Erfahrungen mit dem Thema Remote Work gemacht und gerade die menschlichen Aspekte spielen eine immer stärkere Rolle.

Klima-Tour in Friesland

Am deutlichsten wird das Defizit, sich nicht zusammen finden und etwas starten zu können, für mich persönlich an den Fridays For Future Demonstrationen. Sie hatten bis ins Jahr 2020 tatsächlich Druck auf der Straße gemacht und das Thema Klimaschutz auf diese Art und Weise ins kollektive Bewusstsein gerückt. Unter dem Eindruck pandemiebedingter Einschränkungen, gab es über den Sommer eine Reihe von Veranstaltungen verschiedener Organisationen, die auch diesen Ansprüchen gerecht wurden. Die bundesweite Kidical Mass war für mich ein besonders eindrucksvolles Beispiel.

Aber spätestens seit November letzten Jahres, ist es fast unmöglich geworden, sich in dieser Weise zusammen zu finden. Zumindest, wenn man sich der Gesellschaft und sich selbst gegenüber verantwortungsbewusst verhalten möchte. Umso gespannter bin ich in Bezug auf die bereits angekündigten Formate in unserer Region, wie zum Beispiel die geplante Klima-Tour am 24. April 2021 im Landkreis Friesland. Deren Organisatoren ein breites Bündnis verschiedener Initiativen geschmiedet haben und eine Sternfahrt nach Dangast am Jadebusen veranstalten. Deutlich wird für mich in der Abstimmung mit den Beteiligten, dass es neben der organisatorischen Herausforderung und pandemischen Rahmenbedingungen, schwierig ist, sich überhaupt zusammen zu finden.

Kidical Mass vor dem Start am Oldenburger Schloss. Über den Sommer 2020 hatte man das Gefühl, sich mit den geltenden Einschränkungen arrangieren zu können. Konzerte fanden im Freien, mit Abstand und Hygienekonzept statt. Und selbst Demonstrationen und Aktionen waren auf dies Art und Weise wieder möglich.

Beispiel Radentscheid

In vielen Deutschen Städten, finden sich nach Vorbild Berlins Initiatoren zusammen, die einen so genannten Radentscheid vorantreiben. Ziel ist es, durch das Sammeln von Unterschriften an den jeweiligen Orten, einen Bürgerentscheid anzustoßen. So wie es in Berlin den Volksentscheid Fahrrad gegeben hat, der in eine entsprechende Gesetzgebung gemündet ist. 45 solcher Radentscheide gibt es in Deutschland schon und in Summe haben über 900.000 Menschen (Stand März 2021) entsprechend abgestimmt. Aber wie organisiert man eine solche Abstimmung? Bürgerliches Engagement, ist ohnehin nicht einfach zu bewerkstelligen. Immer wieder bilden sich neue und unterschiedliche Strömungen heraus, selten gibt es einen institutionellen Rahmen, einen Verein oder eine Organisation, der bei allen Anerkennung findet. Es müssen nicht nur Ziele vereinbart und ein Vorgehen abgestimmt werden. Am Ende sollen auch rechtssicher und möglichst erfolgreich, ausreichend viele Unterschriften eingesammelt werden.

Beides – sowohl die Organisation von Treffen, inklusive Zielsetzung und Ideenfindung und auch die eigentliche Durchführung – stellen Beteiligte vor echte, fast unlösbare Herausforderungen. Während ich bei einem Treffen auf nationaler Ebene wirklich begeistert über die technischen Möglichkeiten der Vernetzung und des Austauschs war – so viele engagierte, unterschiedliche Menschen, mit Know-How und Enthusiasmus – so ernüchternd ist es fest zu stellen, dass man Vertrauen und Verbindlichkeit nur schwer über Doodle und Zoom herstellen kann. Vor allen Dingen dann, wenn die Richtung noch nicht klar ist und sich die Beteiligten nicht persönlich kennen.

Bürgerbeteiligung Radverkehrskonzept

Und dann finde ich mich auf einmal in einem Video-Call wieder. Dieses mal mit Bild und Ton, denn daran scheiterte es bei der ersten offiziellen Veranstaltung der Stadt zum Thema Radverkehrskonzept. Bürgerbeteiligung erscheint mir immer wieder ein sehr verkrusteter Begriff, der administrativ ohnehin wenig Spielraum zuzulassen scheint. Bezeichnenderweise wird der Video-Call von der Lokalen Agenda bereit gestellt, genau genommen ist es eine Sitzung des entsprechenden Arbeitskreises „Verkehrswende und Mobilität“ der Gruppe Klimaschutz. Und so ist auch der institutionelle Rahmen vorgeklärt. Ironischerweise bildet sich mit Vertretern des ADFC eine ähnliche Allianz heraus wie beim ersten Anlauf für ein Radverkehrskonzept in der Kleinstadt. Und auch die Organisatoren der Klima-Tour von Friesland Zero sind dabei. Schnell finden sich erste Handlungsansätze. Die Vernetzung scheint auch deswegen zu funktionieren, weil es persönliche Bekanntschaften und eine erste Vertrauensbasis gibt. Und vor allen Dingen der Ausblick auf eine erste gemeinsame Veranstaltung, draußen auf der Straße ist ein willkommener Schlüssel, um Ideen zu generieren. Ich freue mich jetzt schon auf die Aktion.

Klima-Tour am 24. April 2021 – von überall nach Dangast