Wenn ich über die Wiese hinter dem Haus schaue, hinüber zum Wald, wenn im Sommer der Geruch von frisch gemachtem Heu in der Luft liegt, wenn ich durch die Felder laufe oder mit dem Rad zum Meer fahre – dann empfinde ich so etwas wie Heimat. Oft erinnert mich dieses Gefühl an meine Kindheit oder Jugend. Und auch an Orte, die ich gar nicht selber bewohnt habe. Dann hat das Gefühl von Heimat etwas Transgenerationales. Das Wasser gehört heute für mich als fester Bestandteil zu diesem Gefühl, obgleich ich nicht am Meer groß geworden bin. Heimat hat für mich weniger mit dem Geburtsort zu tun. Dafür aber mit Herkunft. Und der Geruch und der Anblick von Heu löst etwas aus, mit dem ich eine tiefe seelische Verbindung herstellen kann. Die letzten Monate haben mir gezeigt, dass ich Heimat vor allen Dingen in mir selbst finde.
Lange Abende am Feuer
Ich sehne immer diese langen Tage immer herbei, in denen die Nacht kurz und sternenklar ist. Und die Sonne, kaum dass sie untergegangen ist, erneut den Himmel erleuchtet. Es ist einer dieser Tage, an denen der regelmäßige Rhythmus eines Schlagzeugs die Stille des Nachmittags zerreißt und der Schall über die Wiese von dem kleinen Wäldchen reflektiert wird. Ungewöhnliche Töne an dieser Stelle und zwar nicht erst als Bass und Gitarre elektrisch verstärkt in diesen Soundcheck einsteigen. Wir veranstalten ein Gartenkonzert und auf dem Dorf stellt sich ein wohliges Festivalfeeling ein. Nachbarn, Freunde und Bekannte sind an diesem Abend da. Menschen zwischen fünf und über 80 Jahren. In den nächsten Tagen wird das Nachbarskind die selbst komponierten Schlager von „Johnny Pindakaas“ in der Spielstraße auf dem Roller trällern. Und uns klingen die Rocksongs von „Loose Lips“ in den Ohren, während wir nachts am Lagerfeuer sitzen. Ich möchte die Zeit anhalten, oder zumindest nicht ins Bett gehen. Ich habe lange auf diesen Tag hin gefiebert und irgendwie scheint alles auf diesen einen Punkt zuzulaufen. Angekommen. In diesem Moment, an diesem Kumulationspunkt.
Durchgetanzter Rasen
Am Morgen sitzen wir zusammen und philosophieren beim gemeinsamen Frühstück über das Wohnen auf dem Land, Einfamilienhaussiedlungen, das Zusammenleben von Generationen und das Teilen von Haus und Garten. Einige Übernachtungsgäste waren schon am frühen Morgen im Jadebusen schwimmen und der Rasen vor der Holzterrasse, die als Bühne gedient hat, wird da, wo wir in der Nacht getanzt haben, in der Sonne bereits braun. Wir knüpfen an ein Gespräch an, das ich vor ein paar Tagen für einen Podcast geführt habe und bei dem es um unterschiedliche Lebensentwürfe ging, die Unterschiede zwischen Stadt und Land, den Begriff Heimat. Und bei dem mir bewusst wurde, dass Heimat für mich weniger ein Ort als ein Gefühl ist. Ein Gefühl, das ich in mir selber suchen und finden kann. Und das sich in den vergangenen Monaten noch einmal verstärkt hat. Dadurch, dass ich bei mir selbst angekommen bin. Die Umgebung, der Wald, die Wiesen, die Felder und das Meer helfen mir dabei dieses Gefühl zu erleben und zu sein. Doch das Gefühl ist unabhängig von Orten. Den aktuell umgebenden ebenso wie denen aus der Vergangenheit.
Hier bin ich zu Hause
Auf dem Dorf, am Rand der Kleinstadt gibt es nicht viele Menschen. Es gibt keine Cocktailbar in die ich abends gehen könnte und schon gar nicht zwei oder drei die Straße hoch. Wenn ich hier Menschen wirklich begegnen will, muss ich selber etwas bewegen. Und mich selbst bewegen. Ein Rockkonzert im Garten, ein Barcamp am Jadebusen, ein Fahrradtag zum Frühlingsfest, Bikepolo auf dem Hof der Grundschule. Oder eine Fahrt mit dem Rad zum Wasser. Um sich mit der Flut im salzigen Wasser treiben lassen.