Varel – eine friesische Kleinstadt am Jadebusen mit rund 25.000 Einwohnern. Ich fahre jeden Tag in dieser Stadt Rad. Wenn ich so wie heute auf der Straße Richtung Bahnhof radle, habe ich das auch einem Klageverfahren zu verdanken, das ein auswärtiger Radler angestrengt hat. So etwas wie eine Radwegebenutzungspflicht, gibt seit einigen Jahren auch in Varel nicht mehr. Mich überholen einen ganze Reihe, vor allen Dingen großer Autos. Auf der Oldenburger Straße dann regelmäßig auch LKW. Gehupt wird selten, aber immer wieder wird sonst auch knapp überholt oder durch die offene Seitenscheibe gemaßregelt. Vor genau zehn Jahren, hat der Rat der Stadt Varel beschlossen einen Radverkehrsbeauftragten zu bestellen. Der Ehrenamtliche aus den Reihen der Initiative „Vareler fahr´n Fahrrad“ sollte die Umsetzung des vorgelegten Radverkehrskonzeptes begleiten und dafür über ein kleines Budget verfügen. Zwei Jahre später entschied man sich seitens Initiative, die Aufgabe an die Stadt zurück zu geben. Denn die Arbeit des Beauftragten konnte keinerlei Wirkung entfalten: zu groß war das Beharrungsvermögen.
Heute weiß davon kaum noch jemand etwas. Oder man will sich nicht erinnern. Die Diskussionen um Sicherheit beim Radverkehr oder die Einrichtung von Fahrradwegen werden geführt, als hätte es nie einen breiten öffentlichen Diskurs dazu gegeben. Trotzdem liest man, es müsse jetzt „alles sehr schnell gehen“ und für umfangreiche Konzeptarbeit fehle die Zeit. Die Verwaltung weist impulsartig darauf hin, dass dafür intern auch Zeit und Personal fehle. Verwundert reibe ich mir die Augen. Wir sind hier nicht in Köln oder Hamburg. Man kennt sich hier. Den Mann vom Planungsamt ebenso wie die, die sich gegenseitig morgens überholen.
Im rund 30 Kilometer südlich gelegenen Oldenburg (160.000 Einwohner) soll eine Einbahnstraßenregelung im Zentrum erneut pilotiert werden, die – wie die örtliche Zeitung schreibt – 2002 „kläglich gescheitert“ ist. Es war eine der wenigen, wenn nicht die einzige ernst zu nehmende Maßnahme damals, die auf Basis eines Verkehrskonzeptes für die kreisfreie Stadt ausprobiert werden sollte. Zunächst wurde der Untersuchungszeitraum immer weiter verkürzt und schließlich der skurril kurze Versuch vorzeitig abgebrochen. Eine starke Lobby hatte ihr Ziel erreicht und die Dominanz des Autos in Oldenburg ist ungebrochen. Nein, der Autoverkehr konnte weiter wachsen. Das Titelbild zeigt übrigens die betreffende Straße am Morgen. Zusätzlich zu den engen Verhältnissen für Rad- und Fußverkehr, wurde auch noch eine Abbiegespur für ein Parkhaus eingerichtet. Wenn man nicht aufpasst, fährt man geradeaus auf dem vermeintlichen Radweg einen ca. zehn 10 Zentimeter hohen Bordstein runter.
Was das mit Varel zu tun hat? Es ist symptomatisch, soll aber die Kleinstadt, die politisch Handelnden, die Verwaltung und auch die Einwohner nicht von ihrer Verantwortung frei sprechen. Auch wenn es regional Entsprechungen gibt, könnte man es in Varel doch anders machen. Wenn man denn wollte. Und das will man ganz augenscheinlich nicht.
Auf der Mühlenstraße könnte ein Radweg eingerichtet werden. Seit 1978 hält die Diskussion um eine Lösung an. Zum Glück, wird im Friesländer Boten zitiert, sei noch niemanden etwas passiert. Fleißig werden die Mängel an den Rädern der Schüler ermittelt – „erschreckend“ sei die Bilanz der Mängel. An einer Verbesserung der Sicherheitssituation im Verkehr – und insbesondere der Situation für Kinder und Jugendliche- wurde auf Basis eine vorliegenden Konzeptes nicht gearbeitet. Überhaupt scheint das Konzept und dessen Inhalte weitgehend unbekannt zu sein. Obwohl es Grundlage eines entsprechenden Antrags der SPD-Fraktion im zuständigen Ausschuss ist.
Edit: Das ehrenamtlich erarbeitete Konzept ist eine wesentliche Grundlage für die Neuauflage im Jahre 2021 (ein weiterer Artikel dazu folgt).
Folgende Teile gehören zu dieser Serie
How to – ein Radverkehrskonzept für eine Kleinstadt
Radfahren – sicher vor allen Dingen für Kinder
Radverkehrskonzept: Struktur durch Hauptradroutennetz
Radtourismus und Radverkehrsförderung