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Blogbeiträge / Radverkehr

Radfahren – sicher vor allen Dingen für Kinder

Ganz bewusst, wurde beim Erarbeiten eines Radverkerskonzeptes für eine Kleinstadt auf die Belange von Kindern geachtet. Denn wenn Radfahren für Kinder sicher und die Verkehrsführung eindeutig ist, ist es das für alle anderen Verkehrsteilnehmer auch. Darum wurde auf den Begriff Schulwegsicherung als oberste Prämisse verzichtet. Denn Kinder und Jugendliche bewegen sich – wie alle anderen Verkehrsteilnehmer auch – für verschiedene Zwecke im Straßenverkehr.   Selbstständig oder auch gemeinsam mit den Eltern in der Freizeit oder für Erledigungen und Einkauf.
Grundlage des Radverkehrskonzeptes, waren verschiedene Workshops vor Ort von denen sich einer explizit um das Thema „Sicherheit für Rad fahrende Kinder“ beschäftigt hat. Der Handlungsbedarf wurde unmittelbar deutlich – waren zu diesem Zeitpunkt doch noch viele zu schmale Bürgersteige benutzungspflichtige Radwege. Teilweise bei einer Breite von maximal 1,50 Meter kombiniert mit Fußwegen und für Radfahrer in beide Fahrtrichtungen vorgesehen.  An bestimmten Wochentagen, standen ausgerechnet auf dieser Seite der Straße auch noch die Mülltonnen zur Abfuhr („Mülltonnenproblematik“ s.u.). Ein Hindernisparcours wie aus dem Bilderbuch.
Um die Problematik aufzuarbeiten konnten die Akteure vor Ort auf die Zusammenarbeit mit Projektgruppen des örtlichen Wirtschaftsgymnasiums zurück greifen, deren Schüler engagiert und intensiv an der Lösung und damit am Radverkehrskonzept mitwirkten. Die folgenden Ausführungen sind dem thematischen Teil des Konzepts entnommen.

Mit Sicherheit fahren Kinder Rad

Die Sicherheit für Rad fahrende Kinder wird im wesentlichen durch eine eindeutige und möglichst einheitliche Führung des Radverkehrs erreicht. Im Rahmen des Workshops zu diesem Thema wurde von den Teilnehmern „die Erziehung zum Fehlverhalten“ durch undurchschaubare, unübersichtliche oder unsinnige verkehrliche Regelungen für die Radfahrer in der Stadt beklagt. Grundtenor war, dass wenn die Verkehrsführung für Rad fahrende Kinder sicher und eindeutig sei, dann sei sie auch für alle anderen Radfahrer ausreichend. Insofern besteht ein enger Zusammenhang zwischen diesem Themenkomplex und der Entwicklung eines  Hauptradverkehrsnetz (Vergleich Konzept).

Im Verlaufe des Jahres 2005 wurden durch Schülergruppen eines Wirtschaftsgymnasiums die Schüler aller Schulen vor Ort in Hinblick auf die Nutzung des Fahrrades, zu den Fahrtwegen und zu neuralgischen Punkten befragt. Die Ergebnisse wurden ausgewertet und liegen der Betrachtung im Rahmen des Konzeptes zu Grunde bzw. wurden bereits in einem Sofortprogramm berücksichtigt.

Veranstaltungen, Öffentlichkeitsarbeit und die kritische Auseinandersetzung mit der Infrastruktur und vorhandenen Regelungen waren Bestandteile der Betrachtungen

Das Ziel: sicher und eindeutig

Im Sinne des Workshops zu diesem Thema sollte der Radverkehr für Kinder sicher und die Verkehrsführung eindeutig gestaltet werden. Insbesondere das Hauptradroutennetz muss vor diesem Hintergrund nachhaltig untersucht und Schwachstellen beseitigt werden. Gleiches gilt für Schulwege und Freizeiteinrichtungen. 

In diesem Zusammenhang gilt es mit Schulen, Eltern sowie Schülerinnen und Schülern in einen Diskussions- und Aufklärungsprozess einzutreten. Es ist mittlerweile unstrittig, dass die so genannte „Begleitmobilität“ in erheblichem Maße zugenommen hat. Zum Beispiel legten in den 70er Jahren noch 91% der Erstklässler den Schulweg allein oder zusammen mit anderen Kindern zurück – im Jahr 2000 waren es nur noch 17% (Quelle: VCD Verkehrsclub Deutschland). Die Folgen in Bezug auf Verkehrssicherheit der Kinder, Koordinationsfähigkeit bis hin zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Bewegungsmangel sind in der Fachwelt unbestritten. Hinzu kommt ein oft subjektives Gefühl der Gefährdung im Straßenverkehr. Hier besteht die Möglichkeit durch kreative Ideen und Projekte Akzente zu setzen – und zwar ganz bewusst unter Einbeziehung der benannten Gruppen. 

Das Projekt „Elterntaxi“, bei dem die Schüler mit Ihren Eltern per Tandems den Weg zur Schule zurück legen und diese auch in der Freizeit nutzen, zeigt Alternativen zur automobilen Begleitmobilität auf. Die Fahrzeuge standen Schülern und ihren Eltern für einen Aktionszeitraum zur Verfügung.

Maßnahmen im Rahmen des Konzepts

Die Maßnahmen in diesem Bereich liegen überwiegend in der dauerhaften Kommunikation mit Schülern, Lehrern und Eltern. Dies betrifft die Betrachtung und Bewertung des Fahrrades als Verkehrsmittel, die Verkehrserziehung und ebenso das Fahrtraining auch kleiner Kinder. Bei Kindern steht das Fahrrad neben der so genannten Begleitmobilität und dem Fußverkehr an erster Stelle. Verkehrsexperten von VCD, ADFC und Verkehrswacht weisen der Radverkehrsausbildung eine Schlüsselrolle bei der Verkehrserziehung zu. Kindern denen ein hoher Stellenwert des Radverkehrs vermittelt wird, fahren auch in Zukunft gerne und mit Überzeugung Fahrrad.

So könnten nach Auffassung der Autoren des Konzepts  z. B. Fahrradprojektwochen an den Grundschulen angeregt und für die Klassen 1-4 durchgeführt werden. Unterrichtsmaterialen hierfür lägen vor. In den Projektwochen können die Pflichtstunden im Bereich Verkehrserziehung zusammen gefasst werden. Vergleichbare Projekte in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen haben nachhaltige Erfolge in Bezug auf die Beherrschung des Rades und die Verkehrssicherheit nachgewiesen.

Fahrradprojekte an weiter führenden Schulen können Schnittstellen zum Thema Bildung- und Qualifizierung darstellen. Beispiele hierfür sind eine Schülerfirma  oder auch die  o.g. Projektarbeiten des Wirtschaftsgymnasiums, die im Rahmen der Erarbeitung dieses Konzeptes durchgeführt wurden. Die konkrete Beseitigung neuralgischer Punkte, die insbesondere durch die Befragung der Schüler aller Schulen im Ort deutlich geworden sind, ist ein konkreter Ansatz für Verbesserungen. Hier seien Beispielhaft die „Mülltonnenproblematik“ oder auch verschiedene Ampelschaltungen genannt, die bereits in einem Sofortprogramm berücksichtigt wurden.

Umsetzung und Blick aus heutiger Sicht

Folgendes Vorgehen wird für die Umsetzung vorgeschlagen: Moderierte Arbeitstreffen mit Schulen, Stadtelternrat und z. B. der Polizei, mit dem Ziel konkrete Projekte und Maßnahmen umzusetzen (Fahrrad-Projektwoche, Schülerfirmen etc.). Aufarbeitung der neuralgischen Punkte auf dem Weg zur Schule und in der Freizeit (Mülltonnen, Straßenoberflächen, Schulwegsicherung, Fahrradstraßen vor den Schulen. Schwachstellenanalyse, z. B. auch in Hinblick auf Fahrradabstellanlagen an den Schulen, Verkehrssicherheit der Fahrräder.

Das betreffende Radverkehrskonzept wurde wie dargestellt vor mehr als zehn Jahren erarbeitet und zur Umsetzung vorgelegt. Dass in diesem Umfang vor allen Dingen auf die Belange von Kindern und Jugendlichen eingegangen wurde, kann aus heutiger Sicht als wegweisend eingeschätzt werden. Zahlreiche Beispiele zeigen, dass genau in diesem Ansatz ein Schlüssel für mehr Sicherheit im Verkehr insgesamt zu liegen scheint. Und vielleicht liegt darin auch ein Teil des Problems: auch wenn viele Maßnahmen dazu geeignet sind, kurzfristig in die Umsetzung gebracht zu werden, benötigt ein systematisches Vorgehen einen Perspektivwechsel, der etablierte Planungs- und Politikprozesse vor Herausforderungen stellt. Denn passiert ist seither – wie in vielen vergleichbaren Orten – nicht viel.

Weblink: Städte für alle Altersgruppen? Z.B. von 8 bis 80 Jahren
https://www.880cities.org

Folgende Teile gehören zu dieser Serie
How to – ein Radverkehrskonzept für eine Kleinstadt
Radverkehrskonzept: Struktur durch Hauptradroutennetz
Radtourismus und Radverkehrsförderung
Radverkehr: irgendwo stecken geblieben