Ich hatte nie vor abstinent zu werden. Genau genommen, fand ich den Gedanken dass ein Erwachsener dauerhaft und komplett auf Alkohol verzichten sollte, abstrus. Entsprechende Berichte blieben mir auf seltsame Art und Weise fremd. Ein Indiz für eine umfassende Gehirnwäsche?
Als ich vor fast genau 20 Jahren mit dem Rauchen aufgehört habe, war das ganz anders. Wie fast jeder Raucher hatte ich das feste Ziel, irgendwann aufzuhören. Und zum Glück war es damals für mich eine Art Erlösung. Ich hatte unzählige, erfolglose Versuche hinter mir. Und als es endlich soweit war, war ich wie befreit. Und mein Umfeld hat mich bestärkt und zeigte Verständnis für diesen Schritt. Wenn ich jetzt irgendwo bin und nicht trinke, erkläre ich mich. Nicht dass das unabdingbar notwendig wäre – ich fange von selbst an, die witzige und dann doch etwas peinliche Geschichte zu erzählen. Und doch ist es eben ganz anders als beim Rauchen damals.
Das gesunde Glas Wein am Abend?
„Wie viel Alkohol ist denn unschädlich oder sogar gut für uns?“ Ich bin auf dem Weg nach Hause und der Moderator im Radio formuliert die Frage an einen Gesundheitsexperten. Gleich fällt mir der Mythos von dem einen gesundheitsfördernden Glas Wein am Abend ein. Wer war das noch? Goethe? In meine Gedanken hinein fällt die Antwort: Alkohol ist nicht gesund. Kein Alkohol ist gesund. Alkohol ist immer eine ungesunde Herausforderung für den Organismus. Das ist ungefähr einen Monat bevor ich „mit dem Trinken aufhöre“. Alleine die Formulierung klingt, als sei ich „Trinker“. Entweder hat man ein Alkoholproblem oder aber gar keinen vernünftigen Grund, keinen Alkohol zu trinken, so scheint es. Reine Dialektik?
Auf ein Bier unter Vegetariern
„Ich kann mir echt nicht vorstellen, dauerhaft mit jemandem zusammen zu wohnen, der gar keinen Alkohol trinkt.“ Ich bin in eine vegan/vegetraische WG gezogen und lehne ein Bier ab. Weil ich eine oder zwei Wochen keinen Alkohol trinke. Das ist jetzt gut ein Jahr her. Solche Pausen habe ich einige Male gemacht. Nicht oft, aber immerhin. „Aber pass auf, dass mein alkoholfreies Bier nicht mit dem anderen im Kühlschrank zusammen liegt.“ Es dauert einen Moment, bis meine neue Mitbewohnerin die Analogie zum Grill, den Bratwürsten und vegetarischem Grillgut erkennt. Sie lacht nicht.
Alkohol zu trinken, ist tief in unserer Gesellschaft verankert. So tief, dass es für verschiedene Bevölkerungsgruppen richtig gefährlich ist. Und damit meine ich nicht vor allen Dingen Jugendliche und „Komasaufen“. Die trinken sogar immer weniger und haben später ihren ersten Rausch. Studie zeigen, dass Rentner und vor allen Dingen auch Menschen – Männer – mittleren Alters, zu den gefährdeten Gruppierungen zählen. Auch ich habe Freundschaften und Bekanntschaftskreise in denen das Konsumieren von Alkohol – das gemeinsame Trinken – ein fast prägendes Element ist.
Was ist also jetzt passiert?
Um es kurz zu machen: ich habe den Reset-Knopf gedrückt und die Auswirkungen unterschätzt. Der Januar 2019 wurde spontan zum Alkohol freien Monat erklärt. Das waren fast fünf Wochen – eine lange Zeit. Länger vielleicht, als ich seit meinem Teenager-Dasein komplett auf Alkohol verzichtet habe. Das wurde mir im Verlaufe der Wochen bewusst und gleichzeitig fand ich das sehr entspannend. Keine Diskussion, kein Zählen von Tagen – das lohnt sich bei so einem langen Zeitraum einfach nicht. Na ja und dann kam der Februar und ein Besuch beim Griechen mit Freunden…
Nach vier Wochen regeneriert sich die Leber fast vollständig. Eine überdurchschnittliche Menge Alkohol zu trinken, ist dann so sinnvoll wie nach dem Fasten drei Stücke Torte zu essen. Also dumm und irgendwie: peinlich. Eine Woche hatte ich mit den Folgen zu tun. Heute, Wochen später, bekomme ich schon bei geringen Mengen Alkohol Kopfschmerzen und fühle mich überhaupt nicht wohl damit.
Besser als vorher
Manche Veränderungen kommen über Nacht. Zumindest fühlt es sich manchmal so an. Vielleicht habe ich aber auch die Bereitschaft auf Alkohol zu verzichten, langsam aber sicher aufgebaut. Vielleicht waren die körperlichen „Argumente“ aber auch sehr überzeugend. So oder so, habe ich im Moment überhaupt keinen Bedarf ein Bier oder Wein zu trinken. Oder für den Zeitraum der Abstinenz ein Ende zu bestimmen. Im Gegenteil: mir geht es gut und mir gefällt die Idee „Nicht-Trinker“ zu sein. So wie ich heute Nicht-Raucher bin und beim besten Willen keinen Gedanken daran verschwende, daran etwas zu ändern.