Diese Tage im Oktober 2018 fühlen sich tatsächlich so an, als würde der Sommer ewig andauern. Es ist ungewöhnlich warm für die Jahreszeit und das ist schon seltsam. Die Tage werden kürzer, es ist morgens nach sternenklaren Nächten so kalt, dass man Handschuhe auf dem Rad anziehen möchte – und tagsüber herrschen sommerliche Temperaturen. Wir sind für ein verlängertes Wochenende auf dem Weg an die Ostseeküste. Das alles fühlt sich gut an: die Sonne, die Wärme, ein paar Tage frei und unterwegs zu sein. Und trotz allem kommt man natürlich nicht daran vorbei, dass dieser und andere Sommer der letzten Jahre nicht ohne Grund so warm und wahlweise zusätzlich sehr verregnet sind. Im Hambacher Forst kann man jetzt einen Sommerspaziergang machen und während der Dieselkompromiss durch die aktuellen Fahrverbote in Berlin ad absurdum geführt wurde, droht die Autoindustrie mit dem Abbau von hunderttausenden Arbeitsplätzen durch die neuen angedachten EU-weiten CO2-Grenzwerte. Der Wandel ginge zu schnell und sei nicht zu managen.
Auf Tour im Erdgasbus
Es fühlt sich unheimlich gut an, mit dem Bus unterwegs zu sein. Das Reisen liegt mir im Blut und am liebsten bewege ich mich völlig unabhängig und eigenständig. Das geht gut mit dem Rad und auch der Bulli ist für kurze Trips so wie jetzt über ein verlängertes Wochenende oder so wie auf verschiedenen längeren Roadtrips der letzten Jahre ideal. Nicht umsonst folge ich verschiedenen Menschen auf Insta und im wahren Leben, die sich entschlossen haben, ihr Leben auf der Straße bzw. im Bus zu verbringen.
Es ist warm an diesem Morgen – die ganze Woche soll außergewöhnlich sommerlich werden. Temperaturen bis 27 Grad sind voraus gesagt und das Mitte Oktober. Unter die Freude über die freien Tage, darüber dass der Sommer in die Verlängerung geht und wir gemeinsam auf Tour sind, mischt sich ein seltsames Gefühl. Ab und zu springt während der Fahrt die Erdgaszufuhr raus und insgeheim bin ich froh, dass wir keinen Diesel fahren. Viel ändern tut das nicht. Weder an dem Gefühl noch an meinem Konsum- und Mobilitätsverhalten.
Hambi, Fahrverbote und CO2-Grenzwerte
Es würde wahrscheinlich schon ein extrem schlichtes – um nicht zu sagen: sonniges – Gemüt dazu gehören, diese ungewöhnlich warmen Tage nach dem Jahrhundertsommer, nicht mit dem Klimawandel in Verbindung zu bringen und einfach so zu genießen. Auf der anderen Seite ändert ein schlechtes Gewissen genau so wenig wie kurzfristiger Aktionismus oder individueller Verzicht. Also hier und heute, meine ich. Mein Kater, der wirklich über ein sprichwörtlich schlichtes Gemüt verfügt, saß am Abend bei mir und genoß die letzten Sonnenstrahlen, bevor die Nacht früh und kalt hereinbrach. Und ich habe das Gefühl, dass ich im Moment genau so viel oder wenig an der Situation ändern kann wie dieses Tier. Und doch beeinflusst der Gedanke an die Auswirkungen des Klimawandels im aktuellen Kontext der Nachrichten rund um Dieselaffäre, Braunkohlentagebau und CO2-Grenzwerte meine Gefühlswelt.
Kurze Sommertage im Herbst
Ich mag es nicht, wenn die Tage kürzer werden. Kälte und Regen machen mir wenig aus, so lange ich draußen sein und mich bewegen kann. Bei aller Freude an Veränderungen – sogar die durch die jahreszeitlichen Unterschiede – sind die kürzer werdenden Tage nichts für mich. Unterwegs und in Bewegung zu sein ist mein Leben und so müsste ich mich uneingeschränkt über den „Sechser im Lotto“ freuen, was das Wetter im Zusammenhang mit den lange im Voraus geplanten freien Tagen an der Ostsee angeht. Stattdessen diese krausen Gedanken und die aktuellen Nachrichten machen es nicht besser. Wenn ich höre, dass die Veränderungen in Sachen CO2-Reduktion für die Autoindustrie zu schnell gehen, frage ich mich, ob uns der Klimawandel mit seiner Veränderungsbereitschaft und -geschwindigkeit nicht bereits überholt hat. Die Energiewende braucht gefühlt viel zu lange. Ein Jahrhunderte alter Wald soll dem Braunkohlentagebau weichen. Dem ist nichts hinzuzufügen. Und von Verkehrswende ist noch wenig zu spüren. Ein mühevoll ausgehandelter Diesel-Kompromiss, der vor allen Dingen dazu dienen soll, Fahrverbote zu verhindern, wird nur wenige Tage später von der Realität eingeholt.
Wie umgehen mit Veränderungen?
Ich mag Veränderungen, ich mag Bewegung im Sinne von: es bewegt sich was. Ich kann mich dafür begeistern, Veränderungsprozesse zu begleiten und mit Menschen neue Wege zu suchen, zu diskutieren und zu beschreiten. Ich habe keine ultimative Lösung für die komplexen Herausforderungen und Probleme. Ehrlich gesagt habe ich nicht einmal eine konsistente individuelle Lösung für mich selbst. Auch meine persönliche Veränderungsgeschwindigkeit und -bereitschaft ist beschränkt. Und vielleicht ist sie auch geringer als der Klimawandel.