Die Stadt Oldenburg gilt als Radfahrerstadt und es gibt wohl auch Menschen, die mit der Situation des Radverkehrs in der Huntestadt zufrieden sind. Andere sind nur noch genervt: von dem Label und dem Stillstand und damit der Situation für Radfahrer in der Stadt. Kürzlich hatte ich dazu eine kurze Diskussion auf Twitter: ist das Glas halb voll oder doch schon fast leer, wenn es um den Radverkehr in Oldenburg geht? Kann man im Großen und Ganzen zufrieden sein, oder geht es nicht vielmehr darum, jetzt radikal etwas zugunsten des Radverkehrs zu ändern? Ich behaupte: es gibt richtig viel zu tun und die Situation hat sich in den vergangenen 20 Jahren nochmals gravierend verschlechtert. Und zwar nicht nur, weil man nicht viel für den Radverkehr getan hat, sondern vor allen Dingen auch weil man nichts gegen den weiter steigenden Autoverkehr tut. Ich habe im Archiv gekramt und einen alten Artikel hervor geholt, in dem ich für ein Radmagazin über den Verkehrsentwicklungsplan der Stadt Oldenburg geschrieben habe, der zur Jahrtausendwende verabschiedet wurde. Den Text habe ich nicht groß angepasst. Was beim Lesen insofern lustig sein dürfte, weil viele Dinge sich seit dessen Veröffentlichung 2001 nicht geändert haben. So gibt es heute zum Beispiel immer noch die Bike- und Inlinernächte, die erstmals im September ´99 initiiert wurden. Damals wie heute, kann sich aber kaum jemand an den Ursprung erinnern. Und wenn es heißt „…so steht heute die umwelt- und sozialverträgliche Gestaltung des Verkehrssystems im Mittelpunkt des Interesses.“ – dann ist mit heute nicht 2021, sondern 2001 gemeint.
Text zum Verkehrsentwicklungsplan der Stadt Oldenburg aus dem Jahr 2001:
Entwicklungsplan für Oldenburg
Die Ernennung einer ersten Fahrrad- und Fußgängerbeauftragten war eine der wesentlichen Entscheidungen im Rahmen der Umsetzung des Verkehrsentwicklungsplanes für die Stadt Oldenburg. Lange Zeit sah es so aus, als wenn sich in Oldenburg nur mit zähen Verhandlungen der beteiligten Gruppen überhaupt irgendwas verabschieden ließe. Zwischenzeitlich musste sogar ein neues Ingenieurbüro verpflichtet werden, da dem zunächst beauftragten schlicht die Mitarbeiter abgewandert waren. Außerhalb der Arbeitsgruppen lieferten sich die beteiligten Gruppen einen anderen Schlagabtausch: Verschiedene Vertreter organisierten eine Befragung zur Parkplatzsituation rund um die Innenstadt, die als ungenügend angesehen wurde. Die Initiative „Unser Oldenburg“ organisierte daraufhin die Oldenburger „Bike&Inliner Nights“; Demos mit denen man unter anderem für eine bessere Erreichbarkeit der Innenstadt ohne Auto werben wollte. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass die Befragung eingestellt wurde, die abendlichen Veranstaltungen aber nach wie vor stattfinden.
Verkehr: Analyse und Leitbild
Mit dem Verkehrsenwicklungsplan war eine umfangreiche Analyse der Ist-Situation der Oldenburger Verhältnisse verbunden. Untersucht wurden neben dem KFZ-Verkehr auch der ÖPNV, der Fahrrad- sowie der Fußgängerverkehr. Hier wurde der Bestand ermittelt, die Randbedingungen zusammen gefasst und teilweise auch schon Einblicke in die zukünftige Entwicklung gewährt. So war es möglich sich einen Überlick zu verschaffen um zukünftig auf einer realistischen Grundlage zu planen.
Während früher die Bewältigung des ständig wachsenden motorisierten Individualverkehrs (MIV), sprich der immer größeren Anzahl von Autos im Vordergrund der Verkehrsplanung stand, so steht heute die umwelt- und sozialverträgliche Gestaltung des Verkehrssystems im Mittelpunkt des Interesses. „Die Verkehrsentwicklungsplanung ist deshalb eher ein programmatisches Leitbild zur Verkehrsgestaltung auf der Ebene der Flächennutzungsplanung als ein technisches Planwerk zur Gestaltung der Verkehrsanlagen,“ heißt es dazu in der Veröffentlichung des Planes. Was hier so treffend beschrieben wird heißt im Klartext, dass man sich konkrete Gedanken machen muss, wem im Verkehrsraum, wo und wie entsprechender Raum zur Verfügung gestellt wird, da dieser durch die Bebauung nicht in unendlichem Maße zu Verfügung steht.
Gleiche Mobilitätschancen
Neben der Analyse ist ein Planungsleitbild sowie die Entwicklung verschiedener Szenarien enthalten. Das Leitbild basiert auf der Definition von Wertezielen (z.B. gleiche Mobilitätschancen für alle Menschen ) und Handlungszielen (z.B. Verkehrsvermeidung). Auf der Grundlage der Untersuchungen, der Zusammenarbeit mit dem projektbegleitenden Arbeitskreis (BAK) sowie der Beteiligung der Bevölkerung (z.B. Verkehrsforen), kann neben der Ausgangslage eine Prognose und aus dieser verschiedene sogenannte „Szenarien“ abgeleitet werden, die mehr oder weniger gut zur Erreichung der gesteckten Ziele geeignet sind. Ein Fortfahren wie bisher würde z.B. durch eine weitere Zunahme des PKW-Verkehrs nicht zu befriedigenden Ergebnissen in Hinblick auf die Chancengleichheit bei der Mobilität führen. Ein solches Szenario wurde ansatzweise mit dem Szenario „Trend“ geliefert. Eine deutliche Reduzierung des MIV „Minus 15%“ schien aus verschiedenen Gründen ebenfalls nicht konsensfähig.
Schließlich wird man in Oldenburg einen Mittelweg suchen müssen, der eine moderate Umverteilung von Verkehrswegen die heute noch mit dem Auto zurück gelegt werden, auf andere Verkehrsarten ermöglicht. Beschrieben wird dieses Szenario mit MIV –5% und MIV –10%. Um dieses Ziel zu erreichen wurde ein integriertes Handlungskonzept entwickelt, das neben verkehrsplanerischen und anderen Maßnahmen auch die Öffentlichkeitsarbeit beinhaltet und daher als sehr umfassend und ausgewogen bezeichnet werden muss.
Das Besondere an Oldenburg
Oldenburg hat im Vergleich mit anderen Städten einen hohen Anteil an Kfz.-Verkehr (ca.55%) und Radverkehr (ca.22%) und einen äußerst geringen ÖPNV-Anteil (unter 6%). Gründe dafür sind vor allem in der Stadtstruktur (flächige Bebauung, geringe Dichte) sowie im gut ausgebauten Straßennetz einschließlich der Stadtautobahn, in der radfahrerfreundlichen Topographie und nicht zuletzt auch im Angebot des ÖPNV zu sehen. Diese Ausgangssituation wurde mit der Entwicklung in Deutschland (Bevölkerung/ Motorisierung) und der lokalen Entwicklung in der Stadt zur Prognose des Verkehrs und der verschiedenen Anteile herangezogen.
Das Handlungskonzept fasst die empfohlenen Maßnahmen des Verkehrsentwicklungsplans verkehrsmittelübergreifend zusammen. Sie lassen sich in die Verkehrsmittel Fließender Kraftfahrzeugverkehr, Ruhender Kraftfahrzeugverkehr, Öffentlicher Personennahverkehr, Radverkehr, Fußgängerverkehr, Wirtschaftsverkehr sowie Öffentlichkeitsarbeit differenzieren.
Änderungen beim Radverkehr
Im Bereich des Radverkehrs werden eine Reihe von Missständen offenbar, die Oldenburger Radler schon seit langem auf den Nägeln brennen. Sie werden identifiziert und die Verbesserung in das Handlungskonzept aufgenommen: Eigentlich müsste es nämlich lauten, dass Oldenburg nicht wegen der Umstände einen hohen Radleranteil hat, sondern trotzdem.
Im wesentlichen lässt sich sagen, dass es in der Stadt nicht an Radverkehrswegen mangelt, sondern dass vielmehr deren baulicher Zustand zu wünschen übrig lässt. Dies trifft insbesondere auf die Hauptrouten zu. Zudem gibt es sehr große Unterschiede bei der Qualität, der Breite und dem Material. In den Seitenräumen treten teilweise Nutzungskonflikte mit anderen Verkehrsteilnehmern auf. An Kreuzungen findet man nicht selten beengte Verhältnisse in Aufstellbereichen vor, vor allen Dingen im Berufs- und Schulverkehr kennen viele Oldenburger dieses Problem. Die Ampelschaltungen sind insbesondere für links abbiegende Radler, auch wegen der Wegeführung als ungünstig anzusehen. Fahrradabstellanlagen sind zumeist veraltet und für das sichere und beschädigungsfreie Abstellen von Fahrrädern nicht geeignet.
Rad fahren trotz Mängeln
Das Maßnahmenkonzept für den Radverkehr beinhaltet verstärkte Anstrengungen um den „ohnehin- und angesichts der Mängel erst recht- hohen Radfahreranteil“ weiter zu erhöhen. Als wesentliche Maßnahme wird die Festlegung eines differenzierten Hauptwegenetzes für den Radverkehr genannt. Weitere Meilensteine sind die Öffnung weiterer Einbahnstraßen, die Einrichtung von Fahrradstraßen, die Sanierung der Strecken vor allem auf den Hauptrouten, die Einrichtung von Gehwegüberfahrten an Einmündungen untergeordneter Straßen und die Einhaltung ausreichender Radwegbreiten. Über die Freigabe der Fahrbahnnutzung ist nach einer nochmaligen Überprüfung der Radwege nach StVO-Novelle zu entscheiden. An Kreuzungen soll insbesondere die Führung der links abbiegenden Radfahrer verbessert werden. Das Stellplatzangebot in der Innenstadt und in den Stadtteilzentren soll verbessert werden. Weitere Maßnahmen sind die Verbesserung der Wegweisung, die Förderung des Bike &Ride, der Winterdienst auf den Wegen sowie die Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit.
So differenziert wie für den Radverkehr wurde auch für die weiteren dargestellten Bereiche des Handlungskonzeptes der Maßnahmenkatalog bearbeitet. Der BAK hat, damit die Finanzierbarkeit und die Umsetzung gewährleistet werden kann, für alle Bereiche Schlüsselmaßnahmen benannt. Somit liegt der Stadt ein umfassende Arbeitspapier vor, das zum Erreichen der erkannten Ziele geeignet ist. Eine der Schlüsselmaßnahmen war die Benennung der Fahrrad- und Fußgängerbeauftragten.