Der Film Together We Cycle läuft noch bis zum 4. April 2021 im Rahmen des Bicycle Film Festivals (BFF). Mein Prädikat: absolut sehenswert. Nach meinem ersten Beitrag zu diesem Film, hatte ich eher unfreiwillig mal wieder Kontakt zum Festivalgründer Brendt Barbur, der vor 20 Jahren das Bicycle Film Festival aus der Taufe hob. Daraufhin habe ich mit ihm über den Film, das Festival und seine persönliche Beziehung zum Rad gesprochen. Zum Hintergrund: ich habe Brendt während eines Aufenthalts in New York City kennen gelernt. Und als mir klar wurde, dass am Tag meines Beitrags das Buchungssystem streikt, habe ich ihm kurzerhand eine SMS geschrieben.
Bicycle Film Festival Gründer
Brendt, ich habe Dich mit meiner SMS-Nachricht wohl aufgeweckt vorletzte Woche?
Brendt: Ja, man bekommt ja nicht so oft Nachrichten aus Europa mitten in der Nacht. Und dass das Buchungssystem streikt, gab es vorher so noch nicht. Die Jungs, von denen wir das einkaufen machen einen guten Job. Sie sind selbst Radfahrer und haben ein sehr stabiles System auf die Beine gestellt. Wir machen ja in diesem Jahr alles virtuell und der Film Together We Cycle, wurde auf diese Art und Weise bereits fast 1.000 Mal gebucht und gesehen.
Wie ist es zu dieser Zusammenarbeit gekommen?
Brendt: Normalerweise werden die Filme bei uns eingereicht. Es gibt eine Menge guter Filme da draußen und wenn wir den Prozess nicht strukturieren würden, würde ich den ganzen Tag nichts anderes machen, als Filme gucken. In diesem Fall war es so, dass wir gefragt wurden, ob wir das National Bike Summit hosten können. Das haben wir gemacht und der Sponsor, die Dutch Bicycle Embassy, hat uns auf den Film aufmerksam gemacht. Und uns gefragt, ob wir die Weltpremiere im Rahmen des Bicycle Film Festivals laufen lassen.
20 Jahre Bicycle Film Festival
Du hast das Festival 2001 unter dem Eindruck eines Fahrradunfalls mit einem Bus gegründet. Was ist in der Zwischenzeit passiert?
Das Bicycle Film Festival begann in New York City und fand seither in mehr als 100 Städten auf der ganzen Welt statt. Auch wenn ich nicht dachte, dass es länger als ein Jahr laufen würde. Ich wollte nicht einmal, dass es länger als ein Jahr läuft, weil es so viel Arbeit war. Und nach diesem ersten Mal war ich mit meiner Freundin und anderen Freunden, die ich selbst nicht einmal richtig kannte, in den Hamptons zum Abendessen. Und alle sprachen über das Filmfestival. Sie wussten nicht, dass ich es gemacht hatte und sie sagten: „Hast du davon gehört?“ „Es war eine tolle Veranstaltung.“ Und sie wollten es unterstützen. Und ich sagte: „Lass uns das machen. Und so wurde es zu dem, was es in den letzten 20 Jahren immer war: Der eine hat ein Plakat gemacht, der andere hat die Organisation unterstützt usw. Seitdem war es immer dieses kollektive Zusammensein, eine Art von Gemeinschaft. Wir reisten quer durch die USA, nach Südamerika, Europa, Russland, China und auch nach Australien. Das alles kommt mir vor wie ein großes Abenteuer, eine Reise um die Welt, jede Stadt mit ihrem eigenen Rhythmus, einer anderen Art von Navigation, einem anderen Tempo und anderem Terrain. In Moskau gab es sieben Fahrspuren und die Autos fuhren mit 130 Stundenkilometern an uns vorbei. Das schöne Chaos in Shanghai und Schnee in Düsseldorf zum Filmfest. Das Fahren mit all diesen unterschiedlichen Menschen in verschiedenen Städten auf der ganzen Welt.
Und jetzt ist es natürlich anders, weil es online ist. Wir machen das Bicycle Film Festival virtuell und ich vermisse die Leute.
Was ist das Besondere am Bicycle Film Festival?
In den Filmen, die wir zeigen, geht es oft um Leidenschaft. Was ich bei einem Film für wichtig halte, ist, dass er eine menschliche Geschichte erzählt. So dass sich jeder mit ihm identifizieren kann. Und dass er eine Bedeutung hat, die über das Radfahren hinausgeht. Es muss ja nicht explizit um Fahrräder gehen. Zum Beispiel geht es in „Fahrraddiebe“ – als einem der größten Filme – nicht um das Fahrrad. Auch wenn es sogar im Titel vorkommt.
Ich finde es gut, dass das Festival jedes Jahr zumindest 30 bis 40 Filme zeigt, die irgendeine Bedeutung haben, die über das Fahrradfahren hinausgeht. Die Filme müssen eine Art von Standard erfüllen. Wir machen die Kurzfilme, die Urban Bike Shorts, über das Rennradfahren, Sport, Abenteuer. Und alle zeigen eine Geschichte dahinter. Vielleicht geht es im Speziellen um BMX, und dann erfährt man von diesen Jungs aus Nigeria, die BMX im Internet entdecken und ihr Leben verändern. Das ist eine menschliche Geschichte, die größer ist als das Fahrrad.
Brendt Barbur und Fahrräder
Wie bist Du zum Fahrrad gekommen, was ist Deine Bike-Story?
Ich weiß nicht mehr, wie alt ich war, als ich das erste Mal auf ein Fahrrad stieg – vielleicht war ich fünf Jahre alt? Ich wuchs in Nordkalifornien auf. Und BMX war ein großer Teil des Lebens von vielen jungen Leuten. Und es war auch ein Teil meines Lebens. Ich liebte BMX und tue es immer noch. Das ist es, was ich je gemacht habe, als ich jung war: BMX ließ mich meine eigene Identität entwickeln, ich fand neue Freunde. BMX hat mich dazu gebracht, zu fahren, Abenteuer zu erleben, mich so weit wie möglich von meinem eigenen Zuhause zu entfernen. Zusammen mit meinen Freunden.
Von dort kam ich zum Rennradfahren, aber nicht im Wettkampf. Ich habe es für mich selbst betrieben und es hat mir Spaß gemacht. Ich romantisierte dieses ganze italienische Rennradfahren und zu dieser Zeit gewann Greg LeMond die Tour de France. Ich zog aus, raus aus meinem Elternhaus und einer meiner Mitbewohner war ein Fahrradkurier. So wurde ich in diese Messenger-Kultur eingeführt. Ich mag diese sozialen Gruppen rund um BMX oder Kuriere. Vor 30 Jahren gab es nicht viele Leute, die Rad fuhren, und es war schön, andere zu treffen. Und dann gab es diese Sache namens „Critical Mass“. Die erste Critical Mass fuhr an meinem Appartement vorbei. Ich hörte diesen ganzen Lärm und da waren so 40, 50 Radfahrer.
Und ich rannte nach draußen und fragte sie – diese „alten“ Leute, sie waren wirklich alt, in ihren 30ern und ich war Anfang 20 – „Was macht ihr da?“ Und sie sagten: „Oh, du solltest nächsten Monat kommen.“ Und das tat ich und nahm meine Freunde mit. Ich habe eine Menge von der Critical Mass gelernt. Ich habe gelernt, dass, wenn man eine Aktion startet, man sie offen für andere Leute und Meinungen lassen kann. Und dann bekommst du viele verschiedene Arten von Menschen. Wenn es keine Agenda gibt, dann macht man einfach eine Fahrradtour und es macht Spaß.
Deine Augen haben geleuchtet, als ich Dir die Frage gestellt habe…
Ja, ich musste einen Moment inne halten und wenn meine Augen leuchten dann deshalb, weil ich diese Erinnerungen immer noch liebe. Jedes Mal, wenn ich auf ein Fahrrad steige, ist ein Stück von diesem Moment des Fahrens mit meinen Freunden bei mir.