Im letzten Teil meiner Serie zum Thema Beteiligung, Partizipation und Akzeptanz, möchte ich die Phase der konkreten Teilnehmergewinnung ins Visier nehmen. Ich reflektiere dies vor dem Hintergrund der Erfahrungen im Energiewendeprojekt enera, bei dem sich Teilnehmer unmittelbar mit dem Umbau ihres Stromzählers am Projekt beteiligen konnten. Bevor dies technisch möglich war, haben wir schon weitreichende Erfahrungen im Aufbau eines regionalen Netzwerks und mit verschiedenen Initiativen sammeln können. Und nicht jeder der sich daran beteiligt hat, wurde dann direkt auch Teilnehmer.
Was haben wir also gemacht? Prototypenworkshops in einem Privathaus, eher informelle Grillabende und Informationsveranstaltungen mit Vereinen, Service-Clubs und zum Beispiel Landfrauen: das alles zielte auf eine Unmittelbarkeit ab, die Beteiligung und Akzeptanz ermöglichen sollten. Und zwar nicht irgendwo, sondern unmittelbar vor Ort, in der Region in der auch das Demonstrationsvorhaben erfolgreich sein sollte.
Beteiligung: unmittelbar vor Ort
Barcamps, Meetups und Informationsveranstaltungen können in ganz klassische Formate und eigens initiierte Veranstaltungen münden. Als besonders erfolgversprechend, erwiesen sich eher informelle Treffen auf nachbarschaftlicher Ebene oder in Vereinen. Als Anlass bot sich dabei zum Beispiel neben dem Informationsangebot, ein gemeinsamer Grillabend an. Und ess zeigte sich, das der Faktor Freundschaft, Bekanntschaft oder Nachbarschaft, erste Einstiegshürden reduziert. Auch im Rahmen von so genannten Prototypenworkshops, nutzten wir diesen Faktor und führten diese Veranstaltungen u.a. in einem privaten Haushalt durch. Die Begeisterung der Teilnehmer und der intensive Austausch auch über den eigentlichen Workshop hinaus, sprachen Bände.
Vieles spricht dafür, dass in dieser Form der Beteiligung und Ansprache der Schlüssel für eine höhere Intensität und Verbindlichkeit liegt. In diesem Zusammenhang spielt aus meiner Sicht auch die Adaption von Randoll Munroe auf der Basis der Arbeit von Thomas J. Reuben eine Rolle. Reuben hatte untersucht, wo und wie wir Menschen begegnen. Und zwar bezogen auf das Lebensalter. Monroe hat die Einzelergebnisse für Frauen und Männer zusammen gefasst. Auffällig ist, das öffentliche Begegnungen das ganze Leben lang nur in sehr geringem Umfang stattfinden. Für die Beteiligung bedeutet das, dass man in die Bereiche Ausbildung, Arbeit und z.B. Nachbarschaften und Ehrenamt vordringen sollte.
Akzeptanz durch Betroffenheit
Eine der zentralen Fragen, die mich als potenziellen Teilnehmer beschäftigt ist: betrifft mich das? Veränderungen, die irgendwo stattfinden und deren Auswirkungen auf mich nur gering zu sein scheinen – oder andersherum: bei denen mein Tun sich nur geringfügig auswirkt – betreffen mich nicht wirklich. Und ein wichtiger Schlüssel ist: es findet hier statt, unmittelbar bei mir vor der Haustür, jetzt. Diesen Effekt, konnte man schon beim Roadtrip erkennen, bei dem sich das Interesse durch die regionale Berichterstattung, die Gespräche auf der Straße und die Beteiligung online auf den Socialmedia-Kanälen widerspiegelte. Dabei konnte man sich zu diesem Zeitpunkt an unserem Projekt noch gar nicht direkt beteiligen. Erst jetzt, wo die technische Lösung steht, ist ein Umrüsten meines Haushalts möglich.
Und jetzt kommt der Faktor soziale Interaktion hinzu. Der Versuch, größere Gruppen zusammen zu holen oder in vorhandene Netzwerke hinein zu gehen, war immer dann besonders erfolgreich, wenn a) ein entsprechender Rahmen gefunden wurde oder b) dafür offene Veranstaltungen und Akteure identifiziert werden konnten.
Vorhandene Netzwerke nutzen
Das Treffen im Rathaus, kann einen entsprechenden Rahmen bilden oder auch das nachbarschaftliche Grillen. Auch Vereine wie DLRG oder Sportvereine, bieten einen sozialen Rahmen in dem ein Austausch möglich ist. Als besonders offen für Informationen Dritter, erwiesen sich so genannte Service-Vereine – Rotary- oder Lions-Clubs – die im Rahmen ihrer regelmäßigen Sitzungen aktuelle Themen aufgreifen und die aufgrund ihrer selbst gestellten Aufgaben prinzipiell offen für Projekte von öffentlichem Interesse sind. Auch Landfrauenvereinigungen und das Landvolk boten uns im Rahmen regulärer oder eigens einberufener Sitzungen die Möglichkeit, unser Förderprojekt zu präsentieren. In einer konzertierten Initiative, konnte auf diese Art und Weise in wenigen Monaten rund 500 Menschen erreicht werden, von denen einen anerkennenswerter Anteil unmittelbar Interesse an einer Teilnahme zeigte.
Wichtig, erscheint in diesem Zusammenhang zu verstehen, dass die soziale Interaktion stark von äußeren Faktoren abhängig zu sein scheint. Egal ob persönliches Interview, Prototypen-Test, Grillabend oder Information im Rathaus oder Verein: die betreffenden Einzelpersonen werden in einer für sie mehr oder weniger gewohnten Umgebung angesprochen. Fragen des Status und der Motivation, scheinen hinreichend beantwortet. Führt man sich die Auswertungen von Reuben bzw. die Adaption von Munroe vor Augen, erkennt man wie wichtig diese Faktoren sind. Ganz unmittelbar erfährt man dies in den Veranstaltungen selbst, bzw. im Vorfeld der Vorbereitungen. Bei der Organisation der Grillabende, musste sich der Einladende (Privater oder Vereinsvertreter) mehr als einmal fragen lassen, ob es sich denn dabei um eine „Verkaufsveranstaltung“ handele. Auch äußerten Teilnehmer an verschiedenen Terminen sehr konkret, dass sie unsicher seien, weil sie nicht so recht wüssten, was auf sie zukommt.
Fazit und Ausblick
Ich habe diese Serie von Blogbeiträgen zum Thema Beteiligung, Partizipation und Akzeptanz ganz bewusst dazu genutzt, um meine Gedanken zu sortieren und einen Fachbeitrag zu diesem Themenfeld vorzubereiten. Über rund drei Jahre aktiver Arbeit im Umfeld des Projekts enera, ergibt sich für mich eine nachvollziehbare Entwicklung. Wir haben schon sehr früh erfahren, dass vorhandene, regionale Netzwerke eine zentrale Rolle spielen können, wenn es darum geht Ideen zu verbreiten, Mitstreiter zu identifizieren und am Ende ganz konkret Teilnehmer zu gewinnen. Und das die jeweils persönliche Motivation – die intrinsischen Motive – und darüber hinaus der soziale Kontext des Einzelnen mit in die Betrachtungen einbezogen werden sollten, zeigen die praktischen Erfahrungen.
Die ersten drei Teile dieser Serie findet ihr hier, hier und hier.
Informationen zu den Untersuchungen von Thomas J. Reuben, findet ihr auf seiner persönlichen Webseite.