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Als ich Sommer durch die Straßen von New York geradelt und gelaufen bin, habe ich irgendwann bei mir gedacht: „Irgendwie ist der Mensch als Maßstab für die Stadt verloren gegangen.“ Und zwar nicht nur für diese Stadt. Ich hatte mir gerade etwas zu Essen besorgt und versucht, mit dem heißen Paket, einem Getränk und dem Fahrrad einen einigermaßen ruhigen Platz zu finden, um mich hinzusetzen. Zwei Blocks weiter fand sich eine dekorative Betonkante zwischen zwei Hochhausern, die bis in den Himmel ragten. Nun ist Manhattan sicher der klassische Ort für solche Gedanken und dies vielleicht auch schon seit dem Bau der ersten Wolkenkratzer gewesen. Erst viel später ging mir auf, dass diese auf den Reißbrett entworfene Stadt gleichzeitig der Prototyp für viele große und kleine Städte auf dieser Welt geworden ist. Fast allen, ist der Mensch als Maßstab für die Planung und für ein lebenswertes Umfeld abhanden gekommen. Und das liegt nicht nur am alles beherrschenden Autoverkehr. Es liegt auch an der mathematisch-logischen Planung an sich. Und vielleicht ist es an der Zeit, umzudenken.
Building the Cycling City
Die Erinnerung an die Situation und den Gedanken, kamen mir in den Sinn, als ich die ersten Seiten des Buches „Building the Cycling City“ von Melissa und Chris Bruntlett gelesen habe. Das Paar aus dem Kanadischen Vancouver, hat sich im Sommer 2016 auf einen Research-Tripp durch die Niederlande begeben. Und zwar um heraus zu finden, wo das Erfolgsgeheimnis des „Dutch Way of Cycling“ liegt. In diesem Zusammenhang wird schnell klar, dass in den Niederlanden vieles anders ist. Vor allen Dingen aber die Veränderungsbereitschaft. Denn auch wenn Radfahren in den Niederlanden heute und auch früher schon fester Bestandteil im Mobilitätsmix war, so gab es doch eine Zeit – vor allen Dingen nach dem Zweiten Weltkrieg – als auch in den Niederlanden Städte vor allen Dingen für Autos gebaut und geplant wurden. Dies hat sich aber, nachdem die negativen Auswirkungen der Zersiedlung, der Trennung der Funktionen Wohnen und Arbeiten vor allen Dingen aber den ständigen Staus in den Zentren, grundlegend gerändert. Auch – und jetzt wird’s spannend – weil in der Folge in der Zeit bis heute, auch ganz anders geplant wurde.
Radplanung in NYC
An dieser Stelle der Lektüre – auf Seite 15 des gerade erschienenen Buches geht es um Rotterdam – verweisen die beiden Autoren auf die Stadt in der „ehemaligen Niederländischen Kolonie“: New York City, bzw. New Amsterdam, wie sie vorher hieß. Musste ein bisschen Schmunzeln, weil ich ja selbst gerade fünf Wochen dort war, um heraus zu finden was da in Sachen Radverkehr und -kultur vor sich geht. Hatte eine Ahnung, ein Gespür dass sich da etwas entwickelt und mehr ist. Eine Entwicklung, die sich vielleicht schon über Jahre hinzog – und ich wurde bestätigt. Jetzt bekomme ich es langsam schwarz auf weiß: das was da zu Zeiten von Bürgermeister Michael Bloomberg und seiner Planerin Janette Sadik-Khan nach seiner Wiederwahl 2007 aus der Taufe gehoben wurde, im Zusammenhang mit dem so genannten „23-Jahres-Plan zur nachhaltigen Entwicklung New Yorks (PlaNYC 2030)“, trägt heute gut sichtbare Früchte. Und basiert auf dem Ansatz, die Stadt eben nicht von oben herab zu beplanen, sondern ganz explizit den Blick von der Straße und auch die Meinung der Einwohner – den „Eye Level“ – die zweideutige „Augenhöhe“ zum Maßstab zu machen. Und bei allen Bemühungen in NYC etwas zu ändern, verwies wohl auch Kahn darauf, dass z.B. die Niederlande sich entwickelt und verändert haben. Eben keineswegs immer und zu jeder Zeit ein Fahrradland waren.
The Life Sized City
Ebenfalls während meines „Studienaufenthaltes“ in New York, habe ich für mich die Geschichte des Kopenhageners Mikael Colville-Andersen entschlüsselt. Dieser hatte einst den Instagram-Kanal unter dem Titel „Cyclechic“ für die dänische Hauptstadt aus der Taufe gehoben, der dann vielfach kopiert und adaptiert wurde – weltweit. Ich hatte tatsächlich zunächst den Kanal @amsterdamcyclechic entdeckt, der wie sein Vorbild in Dänemark vor allen Dingen Alltagsradler zeigt. Andersen hat erkannt, dass Radfahrer in Alltagssituationen für viele Menschen weltweit alles andere als alltäglich sind. Ausschlag gebend war ein Schnappschuss, der eine Frau mit Rock und Rad in der Stadt zeigte und für viele Menschen ungewöhnlich und die Situation unvorstellbar war. Eine Frau. Auf dem Rad. Der selbst ernannte „Copenhagenizer“ hat mittlerweile eine solide Unternehmung gegründet – die Copenhagenize Design Company, hält Vorträge weltweit und berät Städte und Regierungen, wie sie fahrradfreundlicher werden können. Er spricht in seinen Beiträgen von einer „urbanen Revolution“ und sein eigenes, ausgezeichnetes TV-Format heißt „The Life Sized City“. In der aktuellen Ausgabe fragt er rhetorisch in Bezug auf seine Heimatstadt: Ist Kopenhagen die perfekte Stadt?
The City at an Eye Level
Zurück nach Rotterdam, bzw. zu den Ausführungen der beiden Kanadier zum Thema Wandel in den Niederlanden. Also: auch Holland avancierte zum Autofahrerland. Bilder von Städten wie Rotterdam oder Amsterdam zeigen in den 50iger Jahren mit Autos verstopfte Straßen, wo heute Radfahrer das Stadtbild dominieren. Schon wenige Jahre reichten aus, um einen radikalen Wandel einzuleiten und die Niederländischen Städte zu dem zu machen, was sie heute sind. Auch dies war ein Prozess und er erreichte unterschiedliche Städte zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Groningen brauchte dazu eine liberale Führung Ende der 70iger bzw. Anfang der 80iger Jahre, die das Zentrum wie einen Kuchen aufteilte und so den Autoverkehr quer durch die Stadt unterband (inklusive Morddrohungen gegen den damals neu gewählten Bürgermeister). Und Utrecht hat sich – auch Dank Planung auf Augenhöhe – gerade in den letzten Jahren zu einem bemerkenswerten Beispiel entwickelt. Und in Rotterdam schließt sich nach derzeitigem Plan auch der Kreis für mich persönlich: im Frühjahr findet hier das Spring Training zum Thema „The City at the Eye Level“ statt. Und ich habe mich soeben angemeldet.
Die aktuellen Ausgaben des TV-Formats „Life sized City“ gibt es hier https://tvo.org/programs/the-life-sized-city
Infos zu Melissa und Chris Bruntlett findet Ihr hier
http://www.modacitylife.com
Infos zu Copenhagenize Design Company gibt´s hier
http://www.copenhagenize.com
Die Fortbildung in Rotterdam könnt Ihr unter folgendem Link finden https://thecityateyelevel.com/training/city-at-eye-level-spring-training-2019/
English version:
When I cycled and walked through the streets of New York this summer, I thought to myself at some point: „Somehow, human scale has gone lost as a benchmark for the city.“ And not just for this city. I had just gotten something to eat and tried to find a reasonably quiet place to sit on while carrying the hot package, a drink and walk the bike. Two blocks away there was a decorative concrete edge between two skyscrapers that towered into the sky. Now, Manhattan is certainly the classic place for such thoughts and maybe even since the construction of the first skyscrapers. It was not until much later that I realized that this city designed on the drawing board has become the prototype for many big and small cities in the world at the same time. Almost all, human scale got lost as a yardstick for planning and a livable environment. And that’s not just because of the dominating car-traffic. It is also due to the mathematical-logical planning itself. And maybe it’s time to rethink.
Building the Cycling City
The memory of the situation and the thought came to mind when I read the first pages of the book „Building the Cycling City“ by Melissa and Chris Bruntlett. The couple from the Canadian Vancouver, did a research trip in the summer of 2016 through the Netherlands. To find out where the secret of success of the „Dutch Way of Cycling“ lies. In this context, it quickly becomes clear that many things are different in the Netherlands. Above all, however, the willingness to change. Even though cycling in the Netherlands was already an integral part of the mobility mix today and even earlier, there was a time – especially after the Second World War – when cities in the Netherlands were built and planned above all for cars. However, this has fundamentally changed after the negative impact of urban sprawl, the separation of living and working functions, but above all the constant congestion in the centers. Also – and now it gets exciting – because in the episode in the time until today, planning worked in a different kind of way.
Planning in NYC
At this point of the reading – on page 15 of the book just published is about Rotterdam – the two authors refer to the city in the „former Dutch colony“: New York City, or New Amsterdam, as it was called before. I had to smile a bit, because I´d just returned from there from a five weeks stay, because I wanted to find out what’s going on in terms of cycling and culture. Had an idea, a sense that something is developing and maybe more. A development that may have dragged on for years – and I have been confirmed. Now I’m getting it in cold print: what was raised at the time of Mayor Michael Bloomberg and his planner Janette Sadik-Khan after his re-election in 2007, in connection with the so-called „23-year plan for sustainable development New York (PlaNYC 2030)“, today bears visible fruits. And based on the approach, not to plan the city from above, but quite explicitly the view from the street and the opinion of the inhabitants – the „Eye Level“. And with all efforts in NYC to change something, probably also Kahn pointed out that e.g. the Netherlands has evolved and changed. By no means always and always were a bike country.
The Life Sized City
Also during my „study visit“ in New York, I deciphered for myself the story of the Copenhagener Mikael Colville-Andersen. He had once created the Instagram channel titled „Cyclechic“ for the Danish capital, which was then copied and adapted many times – worldwide. In fact, I first discovered the channel @amsterdamcyclechic, which, like its role model in Denmark, mainly shows everyday cyclists. Andersen has recognized that cyclists in everyday situations are anything but commonplace for many people around the world. The decisive factor was a snapshot, which showed a woman in the city wearing a skirt on a bike and which was unusual for many people and the situation was inconceivable. A woman. On the Bike. The self-proclaimed Copenhagenizer has now established a solid business venture – the Copenhagenize Design Company, he’s a worldwide speaker and advising cities and governments on how to become more bicycle-friendly. He speaks in his contributions of an „urban revolution“ and his own excellent TV format is called „The Life Sized City“. In the current issue he asks rhetorically regarding his hometown: is Copenhagen the perfect city?
The City at Eye Level
Back to Rotterdam, or to the statements of the two Canadians on change in the Netherlands. So: Holland also became a car driver country after the war. Pictures of cities like Rotterdam or Amsterdam show streets clogged with cars in the 50s, where cyclists today dominate the cityscape. Just a few years were enough to start a radical change and make the Dutch cities what they are today. Again, this was a process and he reached different cities at different times. Groningen needed a liberal leadership in the late 70´s and early 80´s, which divided the center like a cake and so the car traffic across the city subjugated (including death threats against the then newly elected mayor). And Utrecht – especially thanks to planning at eye level – has become a notable example in recent years. And in Rotterdam, the current plan also closes the circle for me personally: in spring there is Spring Training on „The City at the Eye Level“. And I just signed up.