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Magazin / Radverkehr

Verkehrswende: Die Zukunft des Radfahrens

Jetzt, wo die ersten Städte die Anschaffung von Transporträdern finanziell fördern und der E-Bike-Boom dazu führt, dass die Beschleunigung des Radverkehrs zu öffentlichen Diskussionen führt, frage ich mich, wie man die Entwicklung des Radverkehrs in einigen Jahren im Rückblick bewerten wird. Aus meiner Sicht bleibt das Potenzial des Radverkehrs nach wie vor weitestgehend unausgeschöpft. Der Anteil des Radfahrens am so genannten Modal Split, bleibt in vielen Städten Westeuropas weit hinter den Möglichkeiten zurück. Verschiedene Vorreiter zeigen eindrucksvoll, dass es anders geht. Haben sie doch in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten vieles dafür getan, dass die vorhandene Infrastruktur zu den Anforderungen eines modernen Radverkehrsangebotes passt. Und doch ist Infrastruktur nicht alles: auch die Fahrradtechnik hat immer wieder Neues hervorgebracht, was dazu führt, dass immer mehr Menschen das Rad als echte Verkehrsmittelalternative erkennen und es so aus seinem Nischendasein befreien. Die Entwicklung von Elektrofahrrädern, die moderner Transporträder und natürlich die Kombination aus beidem sind aktuelle Beispiele. Wird ein weiterer Schritt die Vernetzung des Fahrrades im digitalen Internet der Dinge sein? Ist das Fahrrad in einigen Jahren nicht mehr aus dem Mobilitätznetzwerk weg zu denken? Und wird das Rad in einer kommenden „Sharing-Economie“ eine zentrale Rolle spielen?

Stadträder aus Oldenburg

Anfang der 80iger Jahre verhalf ein anderer Boom dem Rad zum Erwachen aus dem Dornröschenschlaf. Uwe Bonnke, der als einer der ersten damit begann konventionelle Räder mit MTB- und Rennradkomponenten auszustatten, sagte mir in einem Interview einmal: „Das, was in den 60iger und 70iger Jahren an Fahrrädern verkauft wurde, war neuwertiger Schrott.“ Erst durch die gestiegenen Qualitätsstandards mit dem Aufkommen der MTB´s und das Streben nach Dauerbelastbarkeit, konnten auch haltbare  Alltagsräder gefertigt werden. Manche dieser „Stadträder“ sehe ich noch heute mit dem „BONNKE“-Aufkleber auf den Straßen meiner Heimatstadt Oldenburg. Nach fast dreißig Jahren haben sie somit ihre Haltbarkeit unter Beweis gestellt – ähnlich wie die Räder der Nachkriegsjahre. Von dem „neuwertigen Schrott“ der dazwischen liegenden Jahrzehnte ist indes nichts mehr vorhanden.
Die Kauflaune von damals hatte nichts mit einer verbesserten Infrastruktur zu tun. Im Gegenteil: das Beispiel Oldenburg macht deutlich, dass es unter Umständen lange dauert, bis sich in diesem Bereich etwas ändert. In den 90iger Jahren hieß es im Verkehrskonzept er Stadt, dass in Oldenburg „nicht wegen, sondern trotz der Voraussetzungen“ viel Rad gefahren werde. Daran hat sich bis heute meiner Meinung nach nicht viel geändert.

So schnell wie Mike Kluge

Der Ausbau und die Anpassung der Radverkehrsinfrastruktur hat sich also in den meisten Fällen wohl nicht wesentlich beschleunigt, um dem zunehmenden Radverkehr Herr zu werden. Anders sieht es bei den Fahrzeugen aus: durch technische Entwicklung der E-Bikes und Pedelecs hat sich das potenzielle Geschwindigkeitsniveau erhöht. Auf die Diskussion, welche Auswirkungen dies auf das Unfallgeschehen hat, möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen. Höhere Geschwindigkeiten stellen aber zweifelsfrei andere, höhere Anforderungen an die Infrastruktur, als die reine Zuwachs im Bereich eines Verkehrsträgers. Vor allen Dingen aber macht die Entwicklung das Fahrrad für immer mehr Menschen als echte Alternative zum Auto attraktiv. Weniger wegen der höheren Geschwindigkeiten, sondern vielmehr aus Gründen der Bequemlichkeit und – nicht zu vergessen – des Spaßfaktors. Und dabei zeigen die letzten Jahre nicht etwa, dass das Elektroräder etwas für „alte Leute“ sind. Selbst der ehemalige Radcross- und MTB-Weltmeister Mike Kluge wählt nach eigenem Bekunden aus seinem Fuhrpark häufig das E-Bike aus. Einfach weil es Spaß macht. Längst haben die elektrisch unterstützten Räder die breite Masse durch alle Altersgruppen erreicht. Und selbst passionierte Radfahrer lassen sich von den Vorteilen überzeugen.

Transporträder im Kommen

An dieser Stelle kommen zwei Trends zusammen: E-Antriebe unterstützen bergauf, beim Anfahren und auf langen Strecken. Ihre volle Wirksamkeit entfalten sie bei zusätzlichen Lasten. Und auch die Entwicklung hin zum Lastenrad ist unverkennbar – auch ganz ohne  E-Unterstützung erfreuen sich Bullit, Christiana und Co. immer größerer Beliebtheit und verfügen über einen gewissen Kultfaktor. Ein finanzieller Anreiz fehlt meist und damit meine ich nicht die bereits angesprochene Förderung. Anders als zum Beispiel in Dänemark „lohnt“ sich der Einsatz eine Transportrades gegenüber einem Zweitwagen beispielsweise in Deutschland weit weniger, weil die Kosten für diesen noch vergleichsweise gering zu sein scheinen.
Fristeten Lastenräder in den vergangenen Jahrzehnten ein echtes Nischendasein, findet man sie heute immer häufiger auch im Einsatz von Logistikunternehmen, Zustellern und Lieferanten. Auch im Alltagseinsatz machen die Vorreiter Holland und Dänemark vor, welches Potenzial noch in diesem Bereich schlummert.

Die Zukunft fährt Rad

Es steckt also viel Potenzial im Fahrrad als individuelles Verkehrsmittel. Und es kommt nicht nur auf die Infrastruktur, sondern vielmehr auch auf die Nutzer und den Einsatz an. Die zunehmende Digitalisierung erreicht auch den Radverkehr. Leihfahrräder werden zu Größen in einem vernetzten Mobilitätsangebot und so wie wir in Zukunft nicht mehr das eine eigene Auto für alle Einsatzzwecke benötigen werden, wird auch nicht jeder von uns unterschiedliche Räder für verschiedene Fahrten besitzen wollen. Vielleicht ist das alles noch Zukunftsmusik, aber die Vernetzung des Rades mit Internet und Anwendungen auf dem Smartphone ist schon heute Realität. Und man muss kein Prophet sein, um zu prognostizieren, dass auch dieser Bereich weiter wachsen und auf Interesse stoßen wird. Dann lassen sich in Zukunft auch Räder digital individualisieren und passen sich automatisch auf die Vorlieben des Fahrers an. Das Start-up „Bike-Citizens“ aus der Schweiz, das derzeit eine Dependance in Berlin aufbaut, zeigt bereits heute eindrucksvoll, was mit den Daten verschiedener Nutzer möglich ist. Die so genannten „Heatmaps“ visualisieren, wo die Anwender der Bike-Citizens-App am liebsten durch die Städte dieser Welt radeln. Verschiedene Anbieter integrieren außerdem Funktionen unmittelbar in das Fahrzeug Fahrrad und tragen so zur Vernetzung bei.

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