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Blogbeiträge / Radreisen

Radreise: Baltikum per Rad

Eine Radreise ins Baltikum verheißt Ursprünglichkeit und zum Zeitpunkt dieser Tour auch Aufbruchstimmung in eine europäische Zukunft nach langen Jahrzehnten der Fremdbestimmung.  Ich hatte mich vor einiger Zeit entschieden, verschiedene Berichte über Radreisen erneut hier aufzulegen. Das Baltikum per Rad ist quasi die Fortsetzung einer Radreise durch den Norden Polens.

Eine Tour per Rad durch Litauen und Lettland erlaubt ebenso wie die Tour durch Polen hoffentlich Einblicke in die Vergangenheit und Zukunft dieses Teils Europas, Kontakt zu den Einwohnern und Eindrücke einer abwechslungsreichen Natur und Landschaft.  Die Radreise führt von Riga über Klaipeda und die Kurischen Nehrung, entlang der Grenze zur Exklave Kaliningrad bis in den Nordosten Polens – nach Masuren.  Die Küste zur Ostsee spielt auf dieser Route eine zentrale Rolle – aber auch die Grenzen der Baltischen Staaten untereinander und zu Polen und Russland. Kleiner Cliffhanger: an der Grenze zu Polen wurde es abenteuerlich und damals habe ich die Geschichte „entschärft“. Diesmal also die ganze „illegale“ Wahrheit.

Baltikum per Rad

Unsere Reise beginnt mit einem Flug von Bremen nach Riga. Mit viel Geschick haben wir die Beförderungsrichtlinien, Gewichtsbeschränkungen und Gepäckabmessungen eingehalten und sind samt den eigenen Rädern in den „hohen Norden“ abgehoben. Nur mein Nutellaglas fällt den Handgepäckbestimmungen zum Opfer. Der Flug dauert nur knapp zwei Stunden – trotzdem ist es schon Mittag als wir am Flughafen der Hauptstadt Lettlands ankommen: In Riga ist es aufgrund der Zeitverschiebung immerhin eine Stunde später. Wir zwei haben uns entschieden, die beiden Staaten Lettland und Litauen unter die Räder zu nehmen. So bietet sich die Gelegenheit nicht gegen die Zeit anzufahren, sondern innerhalb von acht Tagen ggf. mit Umwegen und Schlenkern die beiden südlichen Staaten des Baltikums kennen und genießen zu lernen. Soweit die Theorie. 

Ganz wichtig: ein Schild für den Radweg – auch wenn es mitten auf dem Radweg steht. Bei unserer Ankunft in Riga, hat es Sintflut artig geregnet

Für den Flug haben wir die Räder in Kartons verpackt, so dass wir noch in der Gepäckhalle die Velos zusammen schrauben und beladen müssen. Draußen regnet es in Strömen und wir entscheiden uns den Wolkenbruch ebenso wie zwei weitere Radler aus Bremen abzuwarten. Das Baltikum reizt Radler – die Ursprünglichkeit, die vergleichsweise ebene Landschaft, große Städte, Ostseeküste, Sängerfeste…
Als wir endlich losfahren können, sind die Straßen in die Stadt überflutet. Es sind zwar nur zehn Kilometer in das Zentrum zu unserem Hotel, aber der Weg führt überwiegend über die Hauptzufahrtsstraße. In alle anderen Richtungen ist das Ein- und Ausfahren in die baltische Metropole mit dem Rad nahezu unmöglich – empfohlen wird gleich in den Bus oder Zug zu steigen. 

Riga – Metropole im Baltikum

Die historische Altstadt Rigas – dem „Paris des Baltikums“ – wurde von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Die Küstenstadt schaut auf eine wechselhafte Geschichte zurück, die mit der Missionierung der Region begann und unter anderem wichtige Funktionen als Seehafenstadt umfasste. Auch zu Zeiten der Sowjetunion kam der Stadt Riga eine zentrale Rolle zu, obgleich die sowjetischen Planer die Stadt nicht wesentlich überplanten oder veränderten. So ist die Altstadt heute umgeben von einem Grüngürtel mit Parkanlegen. Da die vierspurigen Durchgangstraßen nach sowjetischem Vorbild aber fehlen, herrscht auf den schmalen Straßen starker Verkehr. Nachdem wir unser Hotelzimmer bezogen haben, machen wir uns zu Fuß auf, die Stadt zu erkunden. 

Die wenigen Kilometer vom Flughafen in die Stadt, sind wir über die Hauptverkehrsstraßen gefahren. An Fahrräder hatte man in Riga bis dahin noch nicht viel gedacht.

Auch zu Zeiten der „Singenden Revulotion“ war Riga zentraler Punkt der Demonstrationen für die erneute Unabhängigkeit der drei Sowjetrepubliken. Heute präsentiert sich die Großstadt als pulsierende Metropole inmitten der ansonsten ländlich strukturierten Region. Hier finden viele junge Leute Arbeit. Viele Einwohner laufen mit einem Blumenstrauß in der Hand durch die Straßen. Augenscheinlich wollen Sie jemanden besuchen – es gilt nämlich als unpassend ohne Gastgeschenk zu kommen.
Riga erfährt einen regelrechten Touristen-Hype – viele Nachtschwärmer aus Europa haben die Stadt für sich entdeckt. Bis spät in die Nacht genießen wir den Trubel einer lauen aber dann doch frischen (Mitt-)Sommernacht, bevor unsere Tour am nächsten Tag richtig los geht. 

Per Rad am Strand: Jurmala

Im Nordwesten Rigas erstreckt auf mehr als 30 Kilometern Sandstrand ein großes Küstenseebad: Jurmala.  Der Weg dorthin für Radfahrer ist gut zu finden – deutlich ausgeschildert und auf der Straße abmarkiert – die einzige ausgeschilderte Radroute in ganz Lettland. Sie führt durch die Wohngebiete mit Hochhäusern am Stadtrand, auf asphaltierten Wegen entlang der Bahnlinie, durch den Wald und dann unmittelbar entlang der Küstenstraße. Wir wundern uns ein bisschen, denn erstaunlich viele junge Eltern und viele Großeltern sind an diesem Freitagmorgen in den Wohngebieten mit den Kindern unterwegs. 

Eindrucksvoll: villenartige Holzhäuser werden an der Küste vor dem Verfall gerettet.

In den einzelnen Orten von Jurmala stehen zahlreiche alte und neue Holzbauten – teilweise liebevoll restauriert, teilweise klapprig und vor dem Verfall, aber alle hoch gehandelt. Der im Hinterland verlaufende Fluß schlängelt sich – teils breit – nur wenige hundert Meter von der Küste entfernt vorbei.

Der Sandstrand ist herrlich, die Ostsee klar. Zunächst fahren wir durch den Dünenwald, schließlich sogar unter vollem Gepäck direkt am Strand. Ein breiter Streifen ist festgefahren und die 15 Kilometer am unmittelbaren Meeresrand werde ich sicher meine Leben lang nicht mehr vergessen. Auf der Höhe von Lampmezciens fahren wir ins Landesinnere. Zum Mittagessen kehren wir in ein Mexikanisches Schnellrestaurant ein. Der Name ist Programm: Klondaika! Die Speisen sind gut und reichhaltig. Auf einigen Abschnitten der Strecke finden wir sogar Radwege vor, bevor wir auf eine unbefestigte Nebenstraße nach Südwesten einbiegen. Wald- und Seenlandschaft wechseln sich hier ab und der mitunter starke Gegenwind ist weniger zu spüren. Die Straße zieht sich teilweise schnurstracks über Kilometer dahin und nur wenige Autos sind auf dieser Strecke unterwegs. Wir erhalten einen ersten Eindruck der Weitläufigkeit der baltischen Staaten. So erreichen wir Tukums – ein Mittelzentrum, das augenscheinlich wichtige Funktionen für das Umland erfüllt. Eine saubere sehr beschauliche Stadt. 

Unvergesslich waren die Kilometer am Strand per Rad

Radreise: am liebsten im Zelt

Südlich von Tukums eröffnet sich das sanft hügelige Binnenland der lettischen Küste. Über eine breite Teerstraße, ebenfalls mit erträglichem Autoverkehr geht es leicht auf und ab durch eine atemberaubend schöne Landschaft. Getreidefelder gesäumt mit Mohnblumen, vom Wind gerichtete Stromleitungen, alte Holzhäuser und Natursteinbauten erstrahlen im nachmittaglichen Sonnenschein. Entgegenkommende Autofahrer hupen uns freundlich zu und auch die Menschen am Straßenrand winken und grüßen zurück. Augenscheinlich erzeugen wir mit unseren vollgepackten Rädern Aufsehen. Die Balten erweisen sich auch im weiteren Verlauf der Reise als aufgeschlossen und durchweg freundlich. Als wir am Abend kurz vor Jaunpils unser Abendquartier erreichen, haben wir an dieser Stelle Lettland schon fast zur Hälfte durchradelt. Die Rigaer Bucht schnürt Lettland quasi zusammen. Für günstiges Geld können wir zelten und hätten alternativ auch ein Zimmer bekommen können.

Die Fortsetzung gibt’s hier

Am liebsten im Zelt – gehört für mich zur Radreise dazu