Fast impulsartig kommt in der Diskussion um Radverkehr und dessen Förderung das Thema Radtourismus auf die Tagesordnung. Der Gedankengang, den ich dahinter vermute ist: Radtourismus ist besser kommunizierbar und ggf. förderfähig, es scheint eine Art „Gegenwert“ zu geben, eine Attraktivitätssteigerung, die Möglichkeit Geld zu verdienen und damit ein „echtes Argument“. Denn die Förderung des Radverkehrs scheint auf den ersten Blick nur Geld zu kosten. Und dies auch noch für eine vermeintliche Minderheit. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Radverkehr führt zu ganz konkreten Wertschöpfungseffekten vor Ort und die Attraktivität einer Region wird auch von Radtouristen nicht anhand von einigen ausgewiesenen Routen beurteilt, sondern vielmehr anhand eines zusammenhängenden Systems. Wer Radverkehr als System betrachtet, macht daher nicht nur in Sachen Radverkehrsförderung, sondern auch in Bezug auf den Radtourismus einiges richtig. Dies ist der dritte und zunächst letzte Teil einer kleinen Serie, mit der ich auf die Entwicklung eines Radverkehrskonzepts für eine Kleinstadt zurück blicke.
Radtourismus als Maßstab?
Wie die meisten Teile des Radverkehrskonzeptes, geht die Bearbeitung des Themas Tourismus auf die frühe Phase mit Workshops und breiter Beteiligung interessierter Gruppen und einzelner Menschen zurück. Aufgrund der positiven Entwicklung an der Küste und den umliegenden Landkreisen und zunehmenden Zahlen an Radtouristen, wurde hier erhebliches Potenzial erkannt. Eine Reihe von positiven Maßnahmen und Entwicklungen sollte zu einem Gesamtkonzept zusammen geführt und weiter entwickelt werden. Beispielhaft seien an dieser Stelle die Entwicklung verschiedener Karten und radtouristischer Routen ebenso genannt wie der „Fahrradsommer“ in dessen Rahmen Angebote und Touren wie Fahrradtage vor Ort und ein umfangreiches Programm längerer und kürzerer begleiteter Radtouren in der Region zusammen gefasst wurden. Vorgeschlagen wurde, den Fahrradsommer als zentrale Marke aufzubauen. Im Konzept heißt es dazu:
Wechselwirkung Radverkehrsförderung
Aus heutiger Sicht ist ein radtouristisches Gesamtkonzept anzustreben, dass die besondere Situation in und um die Stadt berücksichtigt. Hier sollen neben den Saisonurlaubern auch Tagestouristen und Freizeit-Radfahrer Berücksichtigung finden. Analog dazu sollen die verschiedenen Radroutenangebote weiter ausgebaut werden. Dies gilt einerseits in Hinblick auf die Vermarktung, andererseits in Bezug auf die Qualität. Das heißt Auffindbarkeit, ggf. durch Beschilderung, aber auch durch technische Hilfsmittel (GPS-Empfänger), die Befahrbarkeit (Oberflächen, Abbau von Barrieren) oder auch das Serviceangebot (Übernachtung, Verpflegung) usw. sollten sukzessive verbessert werden. Auch die Verbindung von Rad und Bahn spielt für die Stadt eine zentrale Rolle. Insgesamt kann fest gehalten werden, dass die Profilierung der Stadt als fahrradfreundliche Kommune und die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Radfahrer sich auch positiv auf die touristische Vermarktung und die Vorraussetzungen hierfür auswirken wird. Ein weiterer Schwerpunkt kann in der Qualitätssicherung der Angebote und Routen für den Freizeit- und Radtourismusverkehr liegen. Durch die angestoßene Kooperation der verschiedenen Anbieter und auch der Gast- und Beherbungsbetriebe kann die Fahrrad-Initiative hier unterstützend tätig werden. Flankierend können Ideenwettbewerbe zu kreativen Ideen zum Beispiel zur Verknüpfung mit den Bereichen Kunst, Kultur und Technik führen.
Radverkehr als System
Versteht man Radverkehsförderung als System, ergeben sich positive Wechselwirkungen mit dem Bereich Radtourismus. Man sollte jedoch nicht den Fehler begehen, den Tourismus als „führendes System“ zu verstehen. Sinnvoller ist es, die Belange zum Beispiel von Kindern und damit Sicherheit und das spielerische Erleben in den Fokus zu rücken. Dann ergeben sich fast automatisch beispielhafte Lösungen, die den Ort und die Region auch für Touristen und Freizeitradler sicher und damit entspannt und attraktiv machen. Im Konzept wurden aus diesem Grunde auch verschiedene übergeordnete Ziele bearbeitet. Dazu zählten Sicherheit, überegionale Zusammenarbei und auch Qualitätssicherung.
Im Konzept werden die Kosten und Hintergründe der Verbindung zwischen Rad- und öffentlichen Personennahverkehr detailliert und bezogen auf die Situation vor Ort erarbeitet und neben tariflichen auch ganz praktische Hemmnisse wie Barrieren und die mangelhafte Erreichbarkeit des Bahnhofs usw. bearbeitet. Der Beitritt zu einem alternativen Verkehrsverbund und die damit verbundenen Vorteile für Pendler und Radtouristen werden ebenso vorgeschlagen wie eine führende Rolle der Stadt in einem möglichen Verbund fahrradfreundlicher Kommunen nach dem Vorbild der Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundliche Kommune in NRW (AGF). Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, dass ein solch weitreichender Ansatz am mangelnden Willen zur konkreten Umsetzung gescheitert ist. Ähnlich verhält es sich leider auch mit den weiteren Vorschlägen, die nachstehend wieder gegeben werden.
Unternehmen und Qualitätssicherung
Für eine erfolgreiche Radverkehrsförderung müssen alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen mit einbezogen werden. Dazu gehören auch die örtlichen Unternehmen, vom Einzelhandel über Handwerk, Gewerbe bis hin zur Industrie. Die Vorteile der verstärkten Nutzung des Fahrrades im Verkehr und insbesondere im Berufsverkehr, liegen für die Unternehmen auf der Hand: Rad fahrende Mitarbeiter sind weniger häufig krank, weil sie nachgewiesenermaßen einfach fitter sind, sie nehmen weniger (teuren) Parkraum in Anspruch und ggf. ergeben sich neue Kundensegmente, denn die Wertschöpfung des Radverkehrs ist hochgradig ortsgebunden. Der Einzelhandel konnte durch die Zusammenarbeit mit der örtlichen Werbegemeinschaft bereits gut eingebunden werden. Für die Ansprache von Handwerks- Gewerbe- und Industrieunternehmen und deren Mitarbeiter bieten sich Wettbewerbe wie die gemeinsame bundesweite Aktion „Mit dem Rad zur Arbeit“ an. Außerdem sollten verstärkte Bemühungen unternommen werden, um auch den Handel in den Ortsteilen anzusprechen und einzubinden.Im Bereich der Radverkehrsförderung gibt es keine allgemeingültigen Qualitätskriterien. Nichts desto trotz bestehen Möglichkeiten die Situation des Radverkehrs zum Status Quo, die Entwicklungsperspektiven und z. B. die Dynamik des Prozesses, bewerten und im Verlaufe der Zeit analysieren zu lassen. Es wird angeregt die Stadt im Rahmen eines Qualitätssicherungsprogramms evaluieren zu lassen, auch um den Erfolg der Umsetzung des vorliegenden Konzeptes nachvollziehen und nachweisen zu können.
Hier fehlt ein Fazit? Gleich am nächsten Tag, ging es im Blog und auf der Straße weiter…
Folgende Teile gehören zu dieser Serie
How to – ein Radverkehrskonzept für eine Kleinstadt
Radfahren – sicher vor allen Dingen für Kinder
Radverkehrskonzept: Struktur durch Hauptradroutennetz
Radverkehr: irgendwo stecken geblieben