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Blogbeiträge / Popup

Lisa Achatzi: Die Reise nach der Reise

32.615 Kilometer war Lisa aus Berlin solo mit dem Rad unterwegs. Den Film, den sie eigentlich gar nicht produzieren wollte, hat sie unter anderem in Hamburg und Berlin im Kino gezeigt. Und im Oldenburger Popup Frankys. Dafür ist sie extra aus Berlin angereist und stand den Besucherinnen und Besuchern nach den Vorführungen Rede und Antwort. Lisa hat nicht nur auf der Reise selbst sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht, sondern auch mit dem Film, den Vorführungen und dem Publikum. Ich habe sie gefragt, ob sie dazu einen kleinen Einblick in Form eines Gastbeitrags geben kann. Dazu passend gibt es ein paar Stimmen aus Oldenburg. Here we go!

“Ich habe immer noch Gänsehaut von diesem tollen Film, mit so vielen ehrlichen Emotionen, der unheimlich motivierend auf mich wirkte. Im Anschluss an den Film kam es für mich persönlich noch zu einer wundervollen Begegnung mit einem Moment, der mich sehr tief in meinem Herzen berührt hat und unendlich gut tat und aus dem ich ganz viel mitgenommen habe.”

Lisa Achatzi kommt gebürtig aus Nordrhein-Westfalen. Heute ist sie on&off Berlinerin, wenn sie nicht gerade auf Reisen ist. Aktuell arbeitet Lisa als Videoredakteurin bei PETA Deutschland. Ihre erste Radreise führte an die Westküste der USA und dann war klar – die nächste Reise wird eine lange Radreise.
„Da ich aber weiß, dass es ein absolutes Privileg ist, den deutschen Pass zu besitzen und ich mich glücklich schätzen kann, so zu reisen, wie ich seit ich 18 bin reise, habe ich Wheels Of Fortune ins Leben gerufen. Stand jetzt über 35.000€ Spenden insgesamt für Samos Volunteers, SOS Kinderdörfer, Viva Con Agua, UNO Flüchtlingshilfe, Sea Watch und Planted Green.“

Gastbeitrag Lisa Achatzi:

Es ist 23 Uhr nachts. Und für eine absolute Lerche ist das wirklich mitten in der Nacht. Erschöpft starre ich Richtung Computerbildschirm, auf dem sich im Fenster meines Schnittprogramms ein Meer aus Sequenzen ergießt. Knapp zwei Jahre Radreise – zerstückelt und auf einer mehr als chaotischen Timeline aneinandergereiht. In mir drin sieht es mindestens genauso chaotisch aus. “Was habe ich mir dabei bloß gedacht?!”

“Sie hat mir Mut gemacht, auch wieder mutiger zu werden. 😊”

Als ich im August 2019 in Kolumbien meine 32.615 KM lange Solo-Radreise startete, hatte ich nicht die Absicht, einen Film zu machen. Geschweige denn einen Film, den ich auf Kinoleinwänden zeigen würde… Ich hatte mal mehr, mal weniger gefilmt. Vieles hatte ich auch einfach gar nicht auf Video festgehalten. Schließlich sind diese gestellt-ungestellten Szenen immer genau das, was ich an Reisedokus nicht mag. Szenen, in denen Leute aus dem Zelt gekrochen kommen, als wären sie nicht vor fünf Minuten schon raus gekrochen, um die Kamera aufzustellen… Szenen, in denen jemand auf die Kamera zugefahren kommt und dann mit Schnappatmung berichtet, wie anstrengender dieser Berg doch war… dieser Berg, den die Person einmal hoch gefahren ist, um die Kamera aufzustellen und einmal, um sich für diese dann theatralisch zu quälen. Meine Reise sollte eine Reise sein und keine Filmproduktion. 

Doch nun sitze ich da, starre auf die Lücken in der Timeline, raufe mir die Haare und suche nach dem roten Faden. In anderthalb Monaten werde ich den Film im Kino meines Heimatsortes zeigen, alles im Rahmen eines Charityevents für meine Spendenaktion “Wheels Of Fortune”, mit der ich bereits über 25.000€ für den guten Zweck gesammelt habe.

Ein wunderbares Event in der alten Tankstelle, mit einer sehr nahbaren Protagonistin, die ihre Verletzlichkeit nicht versteckt, und dabei eine unfassbare Stärke ausstrahlt.

“Was habe ich mir dabei bloß gedacht?!” 

Aber genau das habe ich mich am ersten Tag meiner Reise auch gefragt, als ich keuchend die kurzen, steilen Berge Medellins hoch strampelte – natürlich ohne dass die Kamera diese Qual aufzeichnete – und irgendwie habe ich es ja trotzdem durch die Anden, das Atlas-Gebirge, die Alpen und den Pamir geschafft.

Anstatt meinen Namen zu ändern, sämtliche Kontakte abzubrechen und nach China auszuwandern, mache ich also weiter, finde den roten Faden und stehe Wochen später vor über 150 Leuten, um die Premiere meines 70 Minuten langen Films anzumoderieren und über 2.200 Euro Spenden zu sammeln. Das Publikum ist begeistert von meinem Film, der sie nicht nur auf eine Reise durch 25 Länder mitgenommen hatte, sondern auch durch die emotionalen Höhen und Tiefen einer alleinreisenden, empathischen Frau, die dabei auch die unschönen Momente nicht auslässt. Auch nicht den Teil, in dem ich Opfer eines sexuellen Übergriffs in Argentinien wurde. Es hatte mich viel Energie gekostet, diesen Part meiner Geschichte in den Film einzubauen und ihn dann mit so vielen Menschen zu teilen. Aber meine Motivation war von Anfang an klar – ich will anderen Opfern Mut machen und ihnen eine Stimme geben.

Und so begann sie – die Reise nach der Reise. Euphoriegeladen schreibe ich Kinos, Eventlocations und Outdoorläden an, während ich eine zweite Vorstellung in meinem Heimatort plane. Ich fülle das Kino ein zweites Mal und auch in einer anderen Stadt der Region berühre ich die Herzen von über 200 Leuten. Pro Abend sammle ich dabei 2.000€ Spenden für die NGO „Samos Volunteers“, die sich auf der griechischen Insel Samos um die Leute kümmert, die nicht das Privileg eines deutschen Passes haben, aber trotzdem auf einer Reise sind. Einer Not gedrungenen und lebensgefährlichen – der Reise über eine der tödlichsten Fluchtrouten der Welt – das Mittelmeer. 

“Lisas Film über ihre Reise hat mir sehr gefallen. Echt beeindruckend und berührend. Sportlich herausfordernde Raderlebnisse. Krisen und Freude, weinen und lachen, alles dabei. Starke Frau mit einer Mission. Da darf es ruhig mehr von geben.”

Doch die großen Fische, wie z.B. der Outdoorriese Globetrotter, beißen nicht an, sie antworten nicht mal. Wöchentlich kündigen sie jedoch über ihren Instakanal den nächsten Vortrag der best friends Männername X und Männername Y an, die über ihre 2.000 KM lange Radreise entlang des Donau-Radwegs berichten werden. Anscheinend braucht man einen Penis, um gehört zu werden und seine Geschichte auf den großen Plattformen erzählen zu dürfen.. Es geht mir nicht darum, dass ICH auf der großen  Bühne stehe und es geht mir nicht darum, dass Leute MICH beklatschen und mir ihren Respekt aussprechen. Es geht mir darum, meine Geschichte auf diese Bühne zu bringen, Opfern sexueller Gewalt Mut zu machen, Frauen zu motivieren, alleine los zu ziehen, möglichst vielen Menschen zu zeigen, was für ein verdammtes Glück wir haben, solche Reisen machen zu können und dass wir alle noch mehr tun können für jene, die eben nicht in dieses Glück hineingeboren wurden.

“Ich bin eine der Frauen, denen du eine Stimme gibst…“

Und dann ploppt eine Insta-DM auf  “Huhu! Ich habe da vielleicht was in Oldenburg! Liebe Grüße, Frank” Als ich mir die Geschichte des Frankys durchlese, bin ich direkt Feuer und Flamme und nach dem ersten Telefonat mit diesem wundervollen Menschen, der meine Intention und Motivation direkt versteht, fahre ich wenige Wochen später voller Vorfreude nach Oldenburg. Es ist nicht die große Plattform, die auf mich und meine Story wartet, aber es wird ein Tag, den ich so schnell nicht vergessen werde. 

Großes Kino, große Gefühle!”

An einem wirklich einzigartigen Ort, mit einem herzensguten Gastgeber, stehe ich vor wunderbaren Menschen. Ich spüre die Inspiration und Motivation des überwiegend weiblichen Publikums, die mein Herz fast zum Platzen bringt. Plötzlich steht eine junge Frau vor mir. “Ich bin eine der Frauen, denen du eine Stimme gibst und denen du Mut machen willst. Und das hast du heute!” 

Ein Film, der in vielen Momenten Gänsehaut beschert, der die großen Herausforderungen, aber auch die Gründe für ein solches Abenteuers benennt, der klar macht, dass die Welt da draußen für Frauen immer noch eine andere ist, als für Männer, und der gleichzeitig total Lust macht, direkt selbst loszufahren.

Mit Tränen in den Augen versuche ich zu erklären, wie berührt ich gerade bin. Wir umarmen uns, weinen und obwohl wir gerade nichts sagen, spricht dieser Augenblick Bände. Dieser kleine Moment, diese eine Begegnung allein, war all den Aufwand, den Stress, den Druck, die Zweifel und die Tränen wert. Und ich würde jede große Bühne gegen diesen einen Moment in einer umgebauten Oldenburger Tanke tauschen.

An dieser Stelle möchte ich allen, die im Frankys waren, danken, dass sie diesen Tag so unvergesslich für mich gemacht haben. Danke Frank, dass ich da sein durfte, dass du so viel Energie, Liebe und Power in einen wunderbaren Ort steckst und mit deiner Art und deinem Engagement dafür sorgst, dass Plattformen für ALLE entstehen. Danke.

“Lisa erzählt in ihrem Film authentisch, emotional, und auch humorvoll von ihren Erlebnissen auf ihrer Radreise.

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