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Blogbeiträge / Radverkehr

Radverkehrskonzept für die Zukunft?

Wenn das so weiter geht, tut sich am Ende doch noch was in Sachen Radverkehr in meiner Kleinstadt Varel. Die beauftragten Planer legen einen hohen Maßstab an, so dass ich die konkrete Umsetzung der umfangreichen Maßnahmen über einige Jahre direkt verfolgen könnte. Es gibt schlimmere Vorstellungen muss ich gestehen. Aber noch ist ja nichts beschlossen und das Konzept muss auch noch abgestimmt werden. Es ist vor allen Dingen die konsequente Linie und der insgesamt hohe Umfang, der die Präsentation der Maßnahmen in der dritten und letzten Sitzung des Arbeitskreis Radverkehr besonders macht.. Die Inhalte wurden auf Basis verschiedener Rückmeldungen binnen kürzester Zeit unter schwierigen Voraussetzungen online und offline eingesammelt und aufbereitet. Den engen Zeitplan hatte ich kritisch gesehen. Diesen Teil der Kritik muss ich relativieren, zumindest wenn das Konzept in der bisher vorgestellten Form in die Gremien der Stadt geht und zukünftig als hohe Messlatte in Sachen Radverkehr dient. Es freut mich besonders, dass es gelungen ist, die Ergebnisse des einstmals ehrenamtlich entwickelten frühen Konzepts als wesentliche Grundlage für die Zukunft heran zu ziehen.
Die größte Herausforderung und gleichzeitig große Chance liegt jetzt in der Beteiligung und das sehen auch Teilnehmer des Arbeitskreises so. Der Bürgermeister bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: „Das Radverkehrskonzept ist – wenn es abschließend vorliegt – der Auftakt für die Diskussion und die Grundlage für die dann maßnahmebezogene Beteiligung.“ Am liebsten würde er es sehen, dass so bald wie möglich ein entsprechender Ratsbeschluss herbei geführt wird, damit schnell mit der Bürgerbeteiligung und der Umsetzung angefangen werden kann. „Alle Bürgerinnen und Bürger hatten die Möglichkeit, den Wegedetektiv zu nutzen. Die eingesetzte Arbeitsgruppe hat daraus eine hervorragende Grundlage geschaffen,“ so Wagner.

In Zukunft Varel per Rad?

Die Stadt Varel ist eine Kleinstadt auf dem Land, wo das Auto aus dem Alltag der Menschen kaum weg zu denken ist. Vor allen Dingen, weil viele Beschäftigungsmöglichkeiten, Konsum- und Freizeitangebote in den Oberzentren Oldenburg und Wilhelmshaven sind. In Varel und der näheren Umgebung machen sich die Einwohner ihren Verkehr selbst und der Durchgangsverkehr spielt eine untergeordnete Rolle. Viele Wege liegen daher unter fünf Kilometer und somit im klassischen Radfahrer-Radius. In der Zeit seit der Entwicklung eines Verkehrsmodells Anfang der 2000er Jahre, dürfte vor allen Dingen der PKW-Bestand weiter zugenommen haben. Mehr und größere Fahrzeuge (auch in Varel ist der Trend zu SUV´s ungebremst) sind im Stadtbild zu sehen. Aus dem verstärkten ruhenden Verkehr – den parkenden Autos – resultieren Probleme für alle Verkehrsteilnehmer.

Radverkehrskonzept 2007: es ist gelungen die ehrenamtlich erarbeitete Grundlage in das aktuelle Konzept einfliessen zu lassen. Vor allen Dingen die Orientierung an Hauptrouten, aber auch viele inhaltliche Zusammenhänge bis hin zum damaligen Leitbild, findet man heute wieder.

Radverkehrskonzept reloaded

2003 war der Ausgangspunkt meiner Überlegungen zu einem Radverkehrskonzept die Tatsache, dass 25.000 Menschen, die in einem kleinen Ort zusammen leben und von denen sich viele persönlich kennen, in der Lage sein müssten die Situation gemeinsam zu reflektieren. Daran schließe ich heute an: man muss doch vor Ort entsprechend kommunizieren können, um dann Änderungen herbei zu führen. Veränderungen sowohl auf der persönlichen Ebene, also bei der Wahl des individuellen Verkehrsmittels, und auch bei der Gestaltung des Lebensraums.
Auf Basis der Hauptrouten des frühen Konzepts, könnten wie vorgesehen mustergültige Lösungen und durchgängige Verbindungen für den Radverkehr geschaffen werden. Hier könnte man bereits üben, was mir persönlich insgesamt vorschwebt: die Menschen in geeigneter Form mit einzubinden, zum Beispiel durch öffentliche Information und intensive begleitende Berichterstattung. Ich wäre sogar für aufeinander aufbauende Plakatkampagnen, Socialmedia-Aktionen oder geeignete Dialog-Displays. Unter dem Motto: „Heute sind bereit x-Prozent der Verkehrsteilnehmer auf dieser Straße mit dem Rad gefahren.“ Oder: „80 Prozent haben sich heute schon an Tempo 30 gehalten.“ Aus der Neurowissenschaft weiß man, dass solche positiven unmittelbaren Rückmeldungen wirken (siehe hierzu Tali Sharon). Warum also nicht das „Vareler Dialogdisplay“ erfinden und umsetzen?

Öffentlichkeit herstellen

Aus meiner Sicht ist die Hauptsache, dass das Ganze an der Oberfläche stattfindet, da wo man es sehen und wahrnehmen kann. Beteiligung und Partizipation erscheint mir als Schlüssel und zentrale Aufgabenstellung. Und sollte neben dem mutmaßlich achtstelligen Betrag für die Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen (Schätzung im Arbeitskreis) entsprechend im Budget und vor allen Dingen organisatorisch vorgesehen werden. Wir sollten auf Grillabenden oder auf Nachbarschaftsbasis die beste Lösung diskutieren. Mit Straßenfesten und autofreien Tagen inklusive gesperrter Straßen könnte der Bürgermeister zu „Anne Hildago von Varel“ werden. Die Hauptrouten und das Konzept insgesamt geben, ebenso wie statistische und empirische Zahlen nur ein Gerüst. Die breite Unterstützung – der Rückenwind, wie es ein städtischer Mitarbeiter nannte – muss aus der Bevölkerung kommen.

Ich finde es gut, dass das Konzept schnell und mit anspruchsvollen Maßnahmen-Vorschlägen erarbeitet wurde. Noch besser wäre es, wenn es jetzt bald beschlossen wird und in die Umsetzung geht. Ohne das Ziel und die erforderlichen Schritte grundsätzlich in Frage zu stellen, sollten die Menschen vor Ort nun in der ganzen Breite von jung bis alt, Frauen, Männer, Einkommensschwache ebenso wie Gutverdiener eingebunden werden. Denn dass sich etwas ändern muss und zwar grundlegend, sollte auch in Hinblick auf Klima, ebenso wie Verkehrssicherheit und Gesundheit, kein Thema sein. Und dass das nicht in Frage gestellt wird, ist vielleicht die eigentlich zentrale gute Nachricht des skizzierten Konzepts.

Das online Tool Wegedektiv wurde in den letzten Wochen in Varel von Interessierten gut genutzt, um neuralgische Punkte aufzunehmen.

Wie ist das Radverkehrskonzept entstanden?

Das von der Stadt beauftragte Ingenieurbüro hat mit Hilfe von Veranstaltungen und digitalen Tools (z. B. Wegeheld) die Grundlage für das aktuelle Konzept gelegt. Über die Auftaktveranstaltung hatte ich hier berichtet. Danach wurde eine Arbeitsgruppe aus verschiedenen VertreterInnen aus Politik, Verwaltung und Interessengruppen gebildet, die in – aus meiner Sicht sehr gut vorbereiteten – Sitzungen zusammen kam. Diese drei Veranstaltungen konnten pandemiebedingt in Persona stattfinden. Dabei wurde nicht nur an Thementischen in kleinen Gruppen unter Zuhilfenahme von aktuellen Fotos und Beschreibungen gearbeitet. Die engagierten Ingenieure hatten zum Beispiel auch die Radfahrt auf verschiedenen Streckenabschnitten (z. B. Hauptrouten) gefilmt und die Arbeitsgruppen-Teilnehmer haben diese Aufnahme und neuralgische Punkte diskutiert. Insgesamt ein angemessenes und sogar ambitioniertes Vorgehen im Rahmen der Arbeitsgruppensitzung. Die Diskussionen waren gut, der Umgang wertschätzend. Entscheidungen wurden hier nicht getroffen.

Wie geht es in Zukunft weiter?

Der Zeitplan war eng und auch wenn aus Sicht interessierter Bürger anscheinend nicht viel passiert ist, geht es wohl voran. Vielleicht ein Learning für die kommende Zeit? Proaktive Kommunikation ist meines Erachtens das A und O. Der Entwurf des Konzepts liegt meines Wissens seit etwa Ende des Jahres 2021 in der Verwaltung vor. Von hier aus soll das Papier dann wohl seinen Weg in die Politik finden und – siehe Zitat des Bürgermeisters oben – so bald wie möglich zur Abstimmung im Rat gebracht werden. Was dann folgt, ist aus meiner persönlichen Sicht noch völlig offen. In Abhängigkeit des tatsächlichen Umfangs des Konzepts, der Beschlusslage und letztlich auch der Kosten und etwaiger Förderung, kann sich die Implementierung über einen langen Zeitraum erstrecken. Ich werde den Prozess mit persönlichem Interesse weiter verfolgen und auch gerne hier berichten.

Vor knapp 11 Monaten fand die Auftaktveranstaltung zur Öffentlichkeitsbeteiligung in Sachen Neuauflage eines Radverkehrskonzepts für Varel statt. In der Zwischenzeit ist einiges passiert und man hat wenig davon gehört. Wie geht es 2022 weiter?