Ich fahre nahezu täglich Rad. Oder anders gesagt: warum sollte man über etwas so alltägliches wie Rad fahren schreiben? Ich bin immer wieder erstaunt darüber, für wie viel Aufmerksamkeit Rad fahren sorgen kann. Vor allen Dingen wenn es darum geht, außerhalb einer vermeintlichen Radsaison, bei Kälte, „schlechtem“ Wetter oder in der dunklen Jahreszeit aufs Rad zu steigen. Und gleichzeitig stelle ich eine Veränderung fest. Eben noch haben wir Diskussionen über Nachhaltigkeit und steigende Energie- und Kraftstoffpreise geführt und dann steigt jemand aufs Rad und probiert in einer Art Selbstversuch aus wie das ist. Mit dem Rad zu fahren bei Dunkelheit und frostigen Temperaturen. Das Fahrrad ist in Sachen Klima und CO2-Einsparung ein echter Game-Changer. Und das wird scheinbar immer mehr Menschen bewusst. Das Sicherheit und vor allen Dingen sichere Infrastrukturen für die Akzeptanz und vor allen Dingen bei widrigen Bedingungen eine entscheidende Rolle spielen, merkt man buchstäblich am eigenen Leibe.
Daily Business
Normalerweise fahre ich alleine deswegen täglich Rad, weil es sich um meinen Weg zur Arbeit gehört. Vor mehr als zehn Jahren, habe ich die tägliche Pendelstrecke von knapp 70 Kilometern (hin und zurück) auf Rad und Bahn verlagert. Und in den vergangenen Jahren, bin ich den größeren Streckenabschnitt davon oft mit dem E-Bike gefahren. Einfach, weil mir das zusätzliche Maß an Bewegung und frischer Luft gefallen hat. Das hat sich durch Corona und Homeoffice deutlich verändert. Mittlerweile nutze ich das Rad, um auch mal wieder raus zu kommen. Früh morgens vor Arbeitsbeginn, zwischendurch zum Einkauf oder in der Freizeit als Ausgleich zu einer überwiegend sitzenden Tätigkeit.
Für mich ist das Rad fahren zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter seid früherster Kindheit so alltäglich, dass ich im Grunde gar nicht darüber nachdenke. Als ich den Vorschlag gemacht habe, die Nutzer unserer Klima-App per Push Nachricht an das Eintragen ihrer Radfahrten zu erinnern, legte sich ein Schweigen über diese Anmerkung. Vielleicht, sagte jemand, sollten wir damit warten bis auch „normale Menschen“ Fahrrad fahren.
Rad fahren im Winter ist immer noch außergewöhnlich. Das Bild im Titel hat mit dem kurzen Text auf LinkedIn 4.500 Ansichten bekommen.
>> Bei dem Wetter fährt keiner freiwillig Rad? Selber schuld kann ich da nur sagen. Licht und Bewegung sind wichtige Faktoren für Gesundheit und Wohlbefinden. Auch und gerade in der dunklen Jahreszeit und im Homeoffice. Ich habe mich auf jeden Fall am Morgen zum späten Sonnenaufgang am kürzesten Tag des Jahres aufs Rad geschwungen und bin quasi ins Homeoffice geradelt. Mit einem kleinen Abstecher beim Dorfbäcker.<<
Alltäglich im Wortsinn
In Arbeitskreisen, Workshops und Veranstaltungen diskutieren wir regelmäßig Fragen der Nachhaltigkeit, des Klimaschutzes und möglicher CO2-Einsparungen. Das Fahrrad ist in diesem Zusammenhang eine echte Wundertüte. Mit dem Verzicht aufs Auto – und sei es nur einmal in der Woche – ließe sich mit dem Umstieg aufs Rad einiges einsparen. Je nach Betrachtungsweise ein Vielfaches dessen, was durch die Umstellung der gesamten PKW-Flotte auf Elektroantrieb gehoben werden kann. Trotzdem werden die Möglichkeiten häufig nicht einmal in Erwägung gezogen, das Fahrrad als Verkehrsmittel gleichsam belächelt und das Thema PKW E-Mobilität demgegenüber intensivst ertörtert. Wenn dann jemand aufs Rad steigt und in einer Art Selbstversuch Kälte und Dunkelheit trotzt, entstehen auch im Business-Netzwerk angeregte Diskussionen. Das ist gut so und hoffentlich Teil einer veränderten Wahrnehmung, die sich idealerweise noch beschleunigt.
Rad fahren ist nichts besonderes
Rad fahren ist alltäglich. Für viele Bevölkerungsgruppen gehört das Rad ganz normal dazu. Schüler, Studenten, Menschen die sich kein Auto leisten können oder bewusst darauf verzichten. Gleichzeitig haben wir uns daran gewöhnt, immer mehr Strecken – und seien sie noch so kurz – mit dem Auto zurück zu legen. Selbst die Fahrt zum Bäcker legen viele Menschen mit dem Auto zurück. Und auch wenn jetzt viele aufs E-Auto oder den Hybrid SUV umsteigen: das Fahrrad bleibt in Sachen Effizienz unschlagbar. Es ist DIE Lösung für die Herausforderungen die auf uns zukommen. Und umso eher wir uns darauf besinnen, desto schneller wird der Umstieg gelingen. Dann sehen wir selbst, dass es schon viel zu viele Autos gibt und unsere Städte, auch die auf dem Land, viel zu stark vom Auto dominiert werden. Autos stehen nicht nur buchstäblich herum und im Weg. Eine auf Autos ausgerichtete Verkehrspolitik und -infrastruktur ist für so etwas alltägliches wie Rad fahren oder zu Fuß gehen oftmals schlicht ungeeignet und unsicher. Zeit umzusteigen.