Der Mann, dessen Namen ich nicht kenne, steht mit seiner Frau nahe am Tresen. Olli schiebt ein Rad an den beiden vorbei und stellt es vor das dunkle Holz der Theke. Es ist ein schönes, altes Rad mit klassischen Gestängebremsen. Schwarz, wahrscheinlich ursprünglich aus dem Fernen Osten. Als der Mann erkennt, dass es sich um sein eigenes Rad handelt, erhellt sich sein Gesicht. Er schaut unbläubig von Olli zu seiner Frau und wieder zurück. Wahre Überraschung und Freude durchströmt ihn. Fassungslos glücklich und dankbar umarmt er seine Frau. Hört er gerade wirklich was Olli erzählt? Von der Reparatur und wie dieser das Rad mit viel Liebe wieder gangbar gemacht hat. Der Mann ist wie ein Kind, das zu Weihnachten das völlig unerwartete Geschenk bekommen hat. Olli berichtet von den Bremsklötzen und das sie nur schwer zu bekommen sind. Der Mann ist glücklich, er schwebt ein bisschen. Immer wieder streichelt er mit der Hand über den Rücken seiner Frau. Als er vor dem Rad in die Hocke geht und versucht, Ollis Ausführungen zu folgen, berührt er zärtlich ihre Wade.
Ein Lehrer. Nicht nur.
Réda ist ein eindrucksvoller Mann, dessen Gesicht Offenheit und Toleranz ausstrahlt. Die rosa Brooklyn-Fahrrad Kappe hat er etwas schräg auf seinen Kopf gesetzt, den Schirm hoch geklappt. Reda ist eigentlich Lehrer an der Berufsschule und unterrichtet Deutsch und Politik. Am Freitag und Samstag arbeitet er im Eddys, brüht Espresso auf, serviert Americano, den man sich mit dem heißen Wasser selbst nach Belieben aufgießen kann. Und er kümmert sich um die Gäste. Bei Réda fühlt man sich zu Hause und angenommen. Geduldig und ausgeglichen sucht er das Gespräch, lächelt freundlich. Und das sind keine belanglosen Plaudereien, Fragen und Antworten zeugen von Erfahrung und Weltoffenheit. So einen Lehrer hätte sich jeder von uns gewünscht.
Eine Autorin. Auch.
Anne sitzt vorm Holzofen, den Olli vor rund zwei Jahren in die alte Schmiede hat einbauen lasen. Er verströmt gemütliche Wärme und Behaglichkeit. Anne ist regelmäßig an ihrem freien Tag hier. Und arbeitet. Das ist kein Widerspruch, sondern ihre Art Leben, Arbeiten und verschiedene Interessen miteinander zu verbinden. Hier im Eddys genießt sie das fröhliche Schaffen, das Ein- und Ausgehen, die Gespräche und Episoden. Mich erinnern sie an einen Wes Anderson Film. Und wer weiß, vielleicht inspiriert diese Umgebung Anne für die Arbeit an ihren Büchern? Wir sprechen darüber, dass die Vielsprachigkeit mit der ihre eigene Tochter aufwächst, zur Idee für ein individualisierbares Bild-Wörterbuch geführt hat. Bücher für Kinder, die sie selbst illustriert. Schnell sind wir in einem intensiven Austausch über Fotos, Graphiken, Geschichten, Anwendungen und Inspiration. Das Eddys ist auch Co-Working und vor allen Dingen kosmopolitischer Begegnungsort. Welche Geschichte wohl der Mann hinter der Wochenzeitung hat?
Ein Schrauber. Und viel mehr als das.
Olli steht in der Werkstatt, die sich in der Corona-Krise zum Schwerpunkt des Rad-Cafés entwickelt hat. Es zeigt sich, dass die Kombination aus Werkstatt, Verkauf und Espressobar selbst in der Krise ihre Stärken hat. Die Öffnungszeiten hat Olli reduziert und am Donnerstag bleibt das Eddys komplett geschlossen: dann konzentriert sich der engagierte Schrauber und Autodidakt voll und ganz auf die kniffeligen Fälle. Olli ist der Dreh- und Angelpunkt des Eddys. Der charismatische Franke* strahlt Energie, Leidenschaft und Offenheit aus. Es ist diese Art der Offenheit und Freundlichkeit, die jeden und jede in Ollis Reich – dem Eddy would attack – willkommen heißt. Wir sind gekommen, um ihm Löcher in den Bauch zu fragen und Olli berichtet ehrlich und ohne Umschweife von seinen Erfahrungen der letzten Jahre. Er hatte angeboten, Rede und Antwort zu stehen, als er von meinen konkreten Plänen für ein Rad-Café las. Das Eddys wird in diesen Tagen fünf Jahre alt. Ich gratuliere herzlich und bedanke mich.
Wer mehr übers Eddys erfahren will, schaut hier.
Und wenn die Arbeit von Anne interessiert, ist hier richtig.