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Isabell Eberlein: Women In Cycling

Isabell Eberlein hat mehr als eine Rolle. Sie ist Geschäftsführerin von Velokonzept, einer GmbH, die sich schon früh – Anfang der 2000er Jahre – um Kommunikation und Veranstaltungen rund ums Rad gekümmert hat. Sie ist Vorstandsmitglied von Changing Cities, jenem Verein, der aus dem Netzwerk Lebenswerte Stadt e.V. hervorgegangen ist und der mit dem „Radentscheid“ in Berlin erfolgreich war. Sie hat unter anderem das Netzwerk Women in Cycling ins Leben gerufen und diese Liste ließe sich wahrscheinlich noch um einige Punkte fortsetzen. Ich habe Isabell nicht in Berlin getroffen, auch weil Corona mir einen Strich durch die Reisepläne gemacht hat. Ansonsten hätten wir uns sicher in Berlin Mitte gesehen, wo zu dieser Zeit erst seit wenigen Wochen der Verkehrsversuch auf der Friedrichstraße durchgeführt wurde. In dessen Rahmen eine Verkehrsberuhigung umgesetzt wurde und Rad- und vor allen Dingen Fußverkehr Vorrang haben. Auch diese Initiative geht auf Changing Cities zurück und wird gerade zu Beginn des Untersuchungszeitraums teils kontrovers diskutiert. So viele Anknüpfungspunkte und doch interessiert mich vor allen Dingen Isabells Blick auf Frauen und Rad fahren. Ist sie doch wie gesagt auch Initiatorin des “Women in Cycling” Network, das im Februar 2021 auf europäischer Ebene ins Leben gerufen wurde.

Women in Cycling Netzwerk

Women in Cycling soll Frauen aus Planung, Wissenschaft und Industrie zusammen bringen.  “Ich möchte richtig Wums hinter die Sache bringen,” sagt Isabell bei einem unserer Telefonate, während sie ihr Rad durch die Berliner Straßen schiebt. Das sei, so führt sie aus, in der aktuellen Situation und vor allen Dingen digital eine echte Herausforderung. Sie denkt bei diesem Netzwerk nicht nur an die Fahrradbranche, oder den Radsport, der traditionell stark in der Öffentlichkeit ist, sondern auch an AktivistInnen und PlanerInnen. Insgesamt hat Isabell rund 40 Frauen identifiziert, die in ihrem Bereich als Multiplikatorinnen in Erscheinung treten sollen. Das Ziel: das Verkehrsmittel Fahrrad in den Vordergrund rücken. Und darüber hinaus zum Beispiel auch die Diskriminierung im Sport zu thematisieren – beispielsweise eine Tour de France Teilnahme für Frauen. Gleichzeitig soll Women in Cycling dabei helfen die hohe Aufmerksamkeit auf den Radsport auch in Richtung Diversität zu verschieben. “Rad fahren ist so divers wie die Bevölkerung selbst. SportlerInnen können mit Ihrer Reichweite auf diese Art und Weise auch zu InfluencerInnen für das Thema Rad fahren und Diversität werden”, ist Isabell überzeugt. Die Themen rund ums Rad könnten sich auf diese Art und Weise gegenseitig befruchten. 

Vielfalt und Diversität auf dem Rad

Bei Velokonzept sehe man die Vielfalt und die daraus erwachsenden Möglichkeiten tagtäglich. Da sind Frauen die Rennrad fahren oder Mountainbike, solche die Bikepolo  spielen und die die sich ganz ohne sportliche Ambitionen für das Rad fahren begeistern, führt Isabell aus. “So wie ich zum Beispiel: ich kann ja nicht einmal Bremsklötze auswechseln und doch beschäftigt mich das Thema Rad fahren die ganze Zeit.” Eines unserer Gespräche mussten wir verschieben, weil Isabell einen Plattfuß hatte und die Termine durcheinander gewürfelt wurden. Wie sich später herausgestellt hat, lag sie mit ihrer Vermutung, dass der Split mit dem die Radwege in Berlin gestreut wurden teils viel zu scharfkantig und damit für das Malheur verantwortlich war. Erfahrungen aus dem Fahrradalltag halt, so wie in dem Moment als sie kurz das Telefonat unterbrechen musste, weil sie an der Ampel angesprochen wurde. “Der Typ,” sagt sie “hat auch sein Fahrrad geschoben und mich gefragt, ob ich Lust hätte mit ihm einmal einen Kaffee zu trinken.” Der sei nett gewesen, entschuldigt sie sich für die Unterbrechung unseres Gesprächs und so etwas passiere ja auch nicht alle Tage, meint sie lachend.

Isabell Eberlein: politische Fahrradfahrerin

Isabell beschreibt sich als politische Fahrradfahrerin und verfügt über einen sozialwissenschaftlichen Hintergrund. Sie hat unter anderem in Amsterdam studiert und kann daher auch Vergleiche zwischen den Niederlanden und Deutschland herstellen. In unseren Gesprächen werden wir uns schnell einig, dass die Themen Radverkehr und Verkehrswende  Diversität brauchen. Divers, macht Isabell deutlich, bedeute nicht nur Frauen zu berücksichtigen, sondern vielmehr auch verschiedene Herkünfte und Hintergründe. „Die Themen Verkehr und Planung sind immer noch sehr technisch und ingenieurlastig geprägt,“ sagt sie. Damit keine reine Männerdömäne, aber vielleicht nicht so divers, wie man es sich vielleicht wünschen würde. Und auch unter den BürgermeisterInnen in Deutschland, gäbe es nur rund 10 Prozent Frauen. Diversität sei alleine deswegen wichtig, weil unterschiedliche Menschen auch unterschiedliche Bedürfnisse hätten. Wünsche und Anforderungen, die sich viel leichter berücksichtigen lassen, wenn man selbst die Situation aus eigener Erfahrung kennt. Dabei gehe es einerseits um Fragen der Sicherheit, andererseits aber auch um alltägliche Wege. Sie zieht einen Vergleich zu den Niederlanden. Die Holländer betrachten Fahrradfahren als effizient und praktisch. Auf dieser Basis ließ sich nach den „Stopp den Kindermord“ Protesten ein breiter gesellschaftlicher Konsens finden.

Thema Subjektive Sicherheit

Vielleicht, meint Isabell, war es in den siebzigern eine Kombination aus Zeitgeist und Generationenwechsel. Letztlich wurde aber ein politischer Prozess eingeleitet und von der Verwaltung umgesetzt. Heute führe das zu ganz praktischen Errungenschaften. Sie spricht das Thema Beleuchtung und Einsehbarkeit an. „Amsterdam ist nachts viel besser ausgeleuchtet, als zum Beispiel Berlin. Das führt zu einer besseren subjektiven Sicherheit und zwar für alle Bevölkerungsgruppen, nicht nur für Frauen. Ich gehe zum Beispiel nachts unter keinen Umständen gerne in den Görlitzer Park. Isabell: “Die Diskussion über subjektives Sicherheitsempfinden, wird im Übrigen auch vor allen Dingen von Männern geführt.“ Auch hier käme es darauf an, Erfahrungen zu berücksichtigen. Und Frauen machten im öffentlichen Raum deutlich andere Erfahrungen als Männer. Der Gedanke, dass der Anteil Rad fahrender Frauen in den Niederlanden oder zum Beispiel auch in Kopenhagen deswegen höher ist, weil deren Erfahrungen und Bedürfnisse besser berücksichtigt wurden, erscheint Isabell schlüssig. Sie erinnert sich an eine Studie der Uni Melbourne, wonach Frauen als Indikatoren für eine sichere Infrastruktur herangezogen werden können. Aber auch ihre persönliche Erfahrung bestätigt diese Hypothese.

Rad mit ganz praktischem Nutzen

Im Gegensatz zu den Niederlanden würde das Radfahren in Deutschland „rational schön geredet“. Aspekte wie Umwelt und Gesundheit müssten herhalten, um pro Radfahren zu argumentieren. Der praktische Nutzen des Fahrrades als Verkehrsmittel bliebe dahinter oft zurück. Und darum ginge es nicht nur darum gute und sichere Infrastrukturen zu bauen, sondern vor allen Dingen auch die „Köpfe zu öffnen“ für neue Lösungen und Ansätze. Und in diesem Zusammenhang identifiziert Isabell eine neue Generation von Frauen und aus ihrer Sicht ist die Zeit für entsprechende Frauennetzwerke gekommen. Sie beobachtet dementsprechende Studien, Plattformen und übergreifende Entwicklungen.

Das Netzwerk Women in Cycling findet man bei LinkedIn.

Wer Isabell gerne „live“ und in Farbe sehen möchte, der kann das hier in der NDR-Reportage (ab Minute 23)

Zu den Inhalten von Velokonzept geht es hier.