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Vom Nicht-Ort zum Möglichkeitsraum

Als ich anlässlich des Abbaus des Frankys im November an der alten Tankstelle ankam, standen drei, mir bis dahin unbekannte Helfer, mit anderen Helferinnen und Helfern vor der alten Tankstelle in der Sonne. Und verkündeten selbstbewusst, dass das Frankys Teil ihres Projektes sei. Es stellte sich heraus: Während des Dritten Semesters im Studium Urban Design an der Jade Hochschule in Oldenburg haben sich die Studenten im Rahmen des Moduls „Urban Social Geography“ mit aktiven Erdgeschosszonen in Oldenburg beschäftigt. Dabei sind Frederik Jankuhn, Max Münn und Jakub Schumacher auf das Frankys aufmerksam geworden und haben den Raum unter dem Motto „Vom Nicht-Ort zum Möglichkeitsraum“ analysiert. Im Folgenden werden Eindrücke und Beobachtungen aus der Perspektive der drei Studenten erläutert. Dabei handelt es sich im Grunde eins zu eins um die vorgestellte Arbeit, inklusive einer Auswahl der dafür angefertigten Graphiken.

Ich freue mich, dass ich nach der Masterarbeit von Stephan – die in diesem Falle auch als Quelle diente – eine weitere fachliche Betrachtung veröffentlichen kann. Danke dafür!

Teilnehmende Beobachtung. die drei Studierenden haben im Rahmen des Abbaus mit angepackt.

Möglichkeitsraum und Nicht-Ort

Das Frankys repräsentiert eine innovative Transformation eines ehemals zweckgebundenen Raums in einen Ort der Kreativität und des sozialen Austauschs, an der Ecke Kaiserstraße/Bleicherstraße in Oldenburg, in einem lebendigen Viertel zwischen Hauptbahnhof und Hafen. Diese Umgestaltung einer ehemaligen Tankstelle verkörpert das Konzept des „Zwischenraums“ – ein Übergangsbereich, der neue Möglichkeiten eröffnet. Die Besonderheit vom Frankys liegt in der Fähigkeit, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln und an verschiedene Bedürfnisse anzupassen. Diese organische Entwicklung ermöglicht es, den Raum für eine Vielzahl von Aktivitäten zu nutzen, die weit über die ursprüngliche Funktion hinausgehen. Ein Kernaspekt dieses Projekts ist die Schaffung eines Ortes, der aktive Teilnahme und Innovation fördert, anstatt passiven Konsum zu begünstigen. Das Frankys bietet eine Plattform für experimentelle Ideen und Formate, die in konventionelleren Umgebungen möglicherweise keinen Platz finden würden. Durch diese Neuinterpretation des Raums wird das Frankys zu einem Katalysator für gemeinschaftliches Engagement und kreativen Ausdruck, der die Grenzen traditioneller Raumnutzung herausfordert und neue Perspektiven für städtische Zwischenräume eröffnet

Räumliche Merkmale

Die räumlichen Merkmale des Gebäudes, insbesondere das markante Flachdach und die offene Struktur, ermöglichen eine flexible Nutzung für verschiedene Veranstaltungen. Der Innenbereich, bestehend aus dem früheren Verkaufsraum und der Waschhalle, wurde für kulturelle Events, Gastronomie und als Fahrradwerkstatt umfunktioniert. Der Außenbereich dient als zentraler Treffpunkt für diverse Aktivitäten, von Radtouren bis hin zu saisonalen Angeboten. Die durchlässige Gestaltung des Gebäudes fördert eine nahtlose Verbindung zwischen Innen- und Außenbereich, was spontane Interaktionen begünstigt. Sozial hat sich der Ort zu einem wichtigen Treffpunkt für verschiedene Interessengruppen entwickelt und trägt wesentlich zur Stärkung der lokalen Gemeinschaft bei. Als Experimentierraum für neue Formen der Zusammenarbeit und des Austauschs fördert er die Identifikation der Anwohner mit ihrem Viertel und stärkt das soziale Gefüge der Nachbarschaft.

Informelle Regeln

Die Zwischennutzung zeichnet sich durch einen bewussten Verzicht auf strenge Regeln und Verbote aus. Stattdessen setzt der Betreiber auf Vertrauen und gegenseitigen Respekt unter den Nutzerinnen. Die Gestaltung und Nutzung des Raumes erfolgt organisch und unter aktiver Beteiligung der Besucherinnen. Es herrscht eine offene Atmosphäre, die Experimente und neue Formate ermöglicht. Die Kommunikation zwischen Betreiber und Gästen findet auf Augenhöhe statt, und die Nutzer*innen können den Raum aktiv mitgestalten und sich aneignen. Anstelle von starren Vorgaben gibt es Flexibilität je nach Bedarf und Ideen. Diese informellen Regeln stehen im Kontrast zur früheren Nutzung als Tankstelle, die von vielen formellen Regeln und Verboten geprägt war.

Auswirkung auf die Gemeinschaft

Die Zwischennutzung des Ortes hat sich zu einem vibrierenden Zentrum für gemeinschaftliches Engagement und kulturellen Austausch entwickelt. Anwohner, die Fahrradcommunity und externe Nutzer finden hier einen vielseitigen Treffpunkt, der durch ein breites Spektrum an Aktivitäten und Veranstaltungen belebt wird. Kooperationspartner wie das Stadtmuseum, die „Radstelle“ und „Cyclepunks“ bereichern das Angebot mit spezifischen Beiträgen, während Künstler und Kulturschaffende den Raum für diverse kulturelle Events nutzen. Diese Vielfalt der Nutzung hat einen signifikanten Einfluss auf die lokale Gemeinschaft entfaltet, indem sie soziale Interaktionen fördert und das Viertelsleben bereichert. Der Ort dient als Experimentierraum für neue Formen der Zusammenarbeit und Partizipation, was die lokale Identität stärkt und die Identifikation der Anwohner mit ihrem Umfeld fördert.

Bemerkenswert ist die Entwicklung innerhalb der Fahrradcommunity. Anfänglich von Männern dominiert, musste sich diese Gruppe erst auflockern. Im Laufe der Zeit verbesserte sich die Geschlechterdurchmischung, insbesondere durch die Einbindung von FLINTA (Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans und agender Personen). Diese positive Veränderung führte zu einer so starken Vernetzung, dass die verschiedenen Communities nach Ende des Projekts den Wunsch äußern, gemeinsam einen neuen Ort zu suchen. Obwohl mit dem Ende der Zwischennut- zung vieles wegbricht, bleibt der Fortbestand der entstandenen unterschiedlichen Gruppen zumindest teilweise erhalten.

Die Wiederbelebung des zuvor leerstehenden Gebäudes hat zur Attraktivitätssteigerung des Bahnhofsviertels beigetragen und positive Auswirkungen auf das soziale Gefüge der Nachbarschaft entfaltet, die weit über die physischen Grenzen des Ortes hinausreichen. Das Projekt hat nicht nur temporär einen Raum belebt, sondern nachhaltige Verbindungen und Strukturen geschaffen, die auch nach seinem offiziellen Ende weiterbestehen und die Gemeinschaft prägen werden.

Hürden und Probleme?

Die Etablierung des Raums wurde anfangs von Autofahrern gestört, die ihn als illegalen Parkplatz nutzten. Durch kreative Umgestaltung mit Pflanzen und Paletten wurde der Ort neu definiert. Das Frankys entwickelte sich zu einem wichtigen sozialen und kulturellen Treffpunkt mit starker emotionaler Bindung. Das Ende der Zwischennutzung zeigt auch Herausforderungen auf: Viele sorgen sich um den Verlust des Treffpunkts und die Gemeinschaft muss sich neu orientieren. Das Projekt demonstriert die erfolgreiche Umwandlung eines monofunktionalen Raums in einen lebendigen Begegnungsort, der zum Weiterdenken anregt.