Durch die aktuelle Berichterstattung rund um das Frankys hat ein Fahrrad den Weg zu mir gefunden, auf das ich schon vor Jahren aufmerksam geworden bin. Damals war ein Arbeitskollege damit unterwegs und ich habe eine erschreckend unzuverlässige Schätzung zum Alter abgegeben. Heute weiß ich auch, warum ich falsch lag: das gute Stück ist aus dem Jahr 1985! Und ich frage mich, ob damals überhaupt jemand anderes ein Mountain-Bike dieser Art in Oldenburg gefahren hat? Denn das Rad wurde sogar in der Huntestadt aufgebaut. Die Auftraggeber:innen hatten es nach einer USA-Reise 1985 bauen lassen. Dort hatten sie in Kalifornien bei Freunden diese neuartigen MTB gesehen und wollten auch in der Heimat eines fahren. Regulär kaufen konnte man die Räder hier aber nicht. Zur Erinnerung: die ersten Serien-Mountain-Bikes wurden den USA 1981 hergestellt, in Europa kamen sie ein Jahr später auf den Markt. Und so kam es in Oldenburg zu diesem eindrucksvollen Custom-Built nach Foto-Vorlagen aus dem Urlaubsalbum.
Die Geschichte des Mountain-Bikes
Die Geschichte der Erfindung der Mountain-Bikes ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Als einer der MTB-Pioniere – vielleicht aus Marketing-Gründen – behauptete, er sei der Erfinder des Mountain-Bikes, schalteten sich bald die anderen Pioniere in eine Diskussion ein. Und es stellte sich heraus: das MTB und dessen Erfindung ist eine klassische Innovationsgeschichte wie sie im Buche steht. Von frühen Entwicklungen, an die sich niemand mehr erinnert, gegeseitigen Inspirationen, Adaptionen und unvorhersehbare Entwicklungen und Erfolgen. Denn wer weiß schon, dass bereits 1953 der Fahrrad-Enthusiast John Finley Scott sein „Woodsy-Bike“ baute, das frappierend an die ersten MTB und vor allen Dingen Serien-MTB erinnert. Filmisch und dokumentarisch aufgearbeitet hat die Geschichte des MTB der Regisseur William Savage in seinem Film „Klunkerz“. Nachlesen kann man die wichtigsten Eckdaten hier.
Funfact: ich wollte den Film „Klunkerz“ gerne im Frankys zeigen und habe ihn auf DVD. Es ist mir gelungen die Zustimmung des Regisseurs zu bekommen, indem ich in einer Facebookgruppe eine Diskussion dazu angestoßen habe. Seither bzw. kurz danach ist William Savage Teil dieser Gruppe und ich freue mich ankündigen zu können: wir dürfen und werden den Film in Oldenburg zeigen.
Oldenburgs erstes Mountain-Bike
Und damit zurück in die Huntestadt – Zeitreise ins Jahr 1985, Damals gab es noch Fotoalben mit Urlaubserinnerungen. Auf Papier und nicht in der Cloud. In diesem Jahr waren Heike und ihr damaliger Mann in Kalifornien bei Freunden und hatten Mountain-Bikes kennen und lieben gelernt. Etwas Vergleichbares konnte man in Oldenburg wie gesagt nicht von der Stange kaufen, der MTB-Boom kam hier erst ungefähr 1988/89 an. Und so kamen sie gleich nach ihrer Rückkehr auf die Idee ein Rad in dieser Art fertigen zu lassen. Materialwert: mehrere tausend D-Mark. Herausgekommen ist ein bemerkenswert robustes und eindrucksvolles Rad. „Sieht aus wie ein Underdog“ hat Heike geschrieben, „fährt sich aber bis heute super.“ Nächstes Jahr wird dieses Rad stolze 40 Jahre alt. Und dieses Alter sieht man ihm tatsächlich nicht an. Die meisten Bauteile sind noch die des originalen Aufbaus. Das Rad schreibt nicht nur MTB-Geschichte, es knüpft auch an diese an. Als die benannten Pioniere in den 60ger und 70ger Jahren die holprigen Wege des Mount Tamalpais hinunter donnerten, taten sie das auf Bikes, die vor dem 2. Weltkrieg gebaut worden waren. Die schweren, nahezu unzerstörbaren Schwinn-Crusier mit dem markanten Rahmen – ihrerseits rund 40 Jahre alt – nannte man liebevoll „Klunkers“.
Hingucker mit Geschichte
Innen verlegte Züge, ein konisches Oberrrohr, der hochbeinige Rahmen mit passend angelöteten Cantilever-Sockeln zu den beauftragten 26 Zoll Laufrädern. Für die neue Geometrie der MTB gab es keine passend gewinkelten Muffen oder Rahmenleeren, berichtet auch Wolfgang Renner, der mit Centurion das erste Serien MTB in Europa auflegte. Das Oldenburger Rad ist sozusagen Mountain-Bike-Geschichte zum Anfassen. Der Vorbau stammt wahrscheinlich aus dem BMX-Fundus, die Dia-Compe Bremsgriffe haben eine Motorrad-Historie. Die Daumenschalter von Suntour sind einfach Kult und so nur noch selten zu finden. Überhaupt stellt sich die Frage, welche Anbauteile damals zur Verfügung standen. Shimano hat bereits Kurbelgarnituren mit drei Kettenblättern gebaut. Kam hier ggf. eine Suntour-Ausführung mit zwei Ritzeln zum Einsatz? Ich kann es tatsächlich auf den alten Bildern nur schlecht ausmachen. Auf jeden Fall macht mein Herz jetzt immer einen kleinen Hüpfer, wenn ich in die Garage komme und das Rad sehe. Das in Oldenburg gebaut wurde, als ich selbst zwölf Jahre alt war und mein erstes BMX fuhr. Von Mountain-Bikes wusste ich da noch nichts.
Wer weiß etwas?
Ich kann natürlich nicht mit Sicherheit sagen, ob es sich bei dem Rad um das allerallererste Moutain-Bike in Oldenburg handelt. Ich denke, es wird sogar schwer heraus zu finden, welcher Händler in welchem Jahr MTB von der Stange verkauft hat. Die Geschichte des Mountain-Bikes zeigt, dass Geschichtsschreibung nicht linear verläuft. Und vielleicht sind ja Historiker und/oder Zeitzeugen unter uns, die zur Aufklärung beitragen können. Ich wäre auf jeden Fall sehr gespannt und interessiert.
Vielleicht sehen wir uns und sprechen anlässlich des geplanten Filmabends?
Link: Marin Museum of Bicycling