Manche Dinge haben wohl ihre Zeit. Als wir vor Jahren in der Kleinstadt Varel in Friesland das Thema Radverkehr nach vorne bringen wollten, war die Zeit dafür augenscheinlich noch nicht gekommen. Einigermaßen frustriert, haben wir die selbst gewählte Aufgabe damals nach jahrelanger Arbeit an die Stadt zurück übergeben und ich habe die Sache für mich abgeschlossen. Die Situation ist seither nicht besser geworden und noch immer bin ich Tag für Tag in der Stadt mit dem Rad unterwegs. Der damalige Versuch und dessen Scheitern, hat meinen Blick auf das was möglich und wünschenswert ist, geprägt: hier und andernorts, steht in Sachen Radverkehr die Zeit still.
Wie tief der Frust steckte, habe ich immer dann gemerkt wenn etwas über die Planungen für eine neuerliches Radverkehrskonzept zu lesen war. Von den vergangenen Ansätzen war da nämlich nichts zu lesen und ich hatte wohl auch sehr viel Herzblut und Engagement in die Sache gesteckt. Wie sehr mich das Ganze berührt, habe ich dieser Tage gemerkt als ich fast euphorisch Licht am Ende des Tunnels gesehen habe. Durch verschiedene Gespräche spüre ich regelrecht positive Energie. Die die mir durch das Scheitern an diesem Ort abhanden gekommen zu sein schien.
Miteinander reden
Ich habe das Thema Radverkehr in der Kleinstadt Varel ein gutes Stück weit von mir fern gehalten. So gut das eben geht, wenn man auf dem Weg zur Arbeit über rund zwei Meter Höhenunterschied mit einem LKW-Fahrer über die Benutzung der Straße diskutiert oder Zeuge von Beinahe-Unfällen wird und Berichte über schwere Verletzungen liest. Als es jetzt um die Vergabe eines neuen Radverkehrskonzeptes ging, stieg regelmäßig mein Puls. Die Sache ist für mich eben noch nicht abgeschlossen. Wie auch: es hat sich ja nichts verändert. Zumindest nicht zum Besseren.
Ich erinnerte mich daran, dass zum Ende unserer Zeit als Aktionsgemeinschaft aus Lokaler AGENDA und ADFC ein Mann mit man Tisch saß, der sehr engagiert und konstruktiv das Thema begleitet hat. Noch am selben Tag trafen wir uns zu einem langen Spaziergang. Und es wurde klar, dass jetzt die Zeit für einen neuen Anlauf gekommen scheint. Und zwar unter Berücksichtigung dessen, was wir damals in langen Jahren entwickelt und auch aufgebaut hatten.
Ich habe zum Thema eine kleine Serie veröffentlicht
How to – ein Radverkehrskonzept für eine Kleinstadt
Radfahren – sicher vor allen Dingen für Kinder
Radverkehrskonzept: Struktur durch Hauptradroutennetz
Radtourismus und Radverkehrsförderung
Verkehr anders denken
Am nächsten Tag meldete sich der Planer, der mit seinem Verkehrsmodell für die Stadt damals den Ausschlag für mein Engagement gegeben hatte. Ziel des damaligen Konzepts war die Grundlage für eine Ortsumgehung oder zumindest -entlastung zu legen. Alle Berechnungen und Betrachtungen zeigten aber, dass der größte Teil des Verkehrs in der Kleinstadt entsteht und dort bleibt. Und ich dachte: das kann doch nicht so schwer sein, einige der 25.000 Einwohner davon zu überzeugen das Auto stehen zu lassen und mit dem Fahrrad zu fahren. Sagen wir so: ich habe mich getäuscht.
Heute hat eben dieser Planer den Auftrag ein neues Radverkehrskonzept zu erstellen und das Gespräch mit insgesamt drei Fachleuten ein paar Tage nach der Kontaktaufnahme zeigte deutlich, dass es sinnvoll ist auf dem Bestehenden aufzusetzen. Auf dem Weg zurück nach Hause, hatte ich richtig gute Laune und mir war klar, dass sich da gerade ein Knoten löst. Noch am Abend schrieb ich eine Nachricht an den Bürgermeister und tags darauf sprachen wir über das was war und was jetzt kommt. Und zum dritten Mal in dieser Woche sagte ich jemanden, dass ich gerne mit anpacke und sicher nicht die Hände in den Schoss lege.
Packen wir es also an
Am Montag geht’s los. Am Abend findet die erste Beteiligungsveranstaltung online statt – den Link findet man auf den Seiten der Stadt. Schon jetzt ist ein Fragebogen verfügbar und eine digitale Karte zu Erfassung neuralgischer Punkte. Ich weiß von einigen Menschen, dass sie die Entwicklung mit echtem Interesse verfolgen. Und ich möchte das was ich die letzten Jahre gelernt habe, konstruktiv in den Prozess mit einbringen. Jetzt also auf ein Neues: ein Radverkehrskonzept für eine Kleinstadt.