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Blogbeiträge

Schmerz lass nach

Der Körper ist ein unfassbar guter Signalgeber. Wie sonst sollte man auf andere Art und Weise auch gewahr werden, dass etwas nicht stimmt. Als ich mit Anfang 30 während einer Radreise Rückenschmerzen bekam, habe ich das noch nicht so richtig verstanden. Erst als diese Schmerzen wieder kamen und dann chronisch wurden, habe ich angefangen zu forschen und später zu verstehen. Die Diagnose einer veritablen Bandscheibenvorwölbung – der Volksmund spricht von Bandscheibenvorfall – schien zunächst Vieles zu erklären. Diese Vorwölbung, die zwischenzeitlich auch dafür gesorgt hat dass ich Taubheitsgefühle bis in den Fuß hatte, habe ich immer noch. Die Behandlung meiner dauerhaften Rückenschmerzen sah nämlich anders aus, als man das vielleicht erwarten würde. Als ich jetzt aktuell nach über einem Jahrzehnt erneut akute Rückenschmerzen bekommen habe, habe ich mich daran erinnert. Viele andere Dinge hatten ich hingegen zum Glück verdrängt. Und zwar auch, das starke dauerhafte Schmerzen körperlich extrem anstrengend sind.

Schmerzgedächtnis

Die Medizin spricht von Schmerzgedächtnis, und meint damit, dass wir die Erfahrung intensiver Schmerzen körperlich abspeichern. Und zum Beispiel in Bezug auf Verspannungen und Schäden an Knochen, Knorpel und Muskulatur eine Schonhaltung einnehmen, um Schmerzen zu vermeiden. Das klingt erst einmal gut und vernünftig – zumindest, was den Schmerz angeht. So eine Schonhaltung oder auch zum Beispiel das Vermeiden von Bewegung, sind aber insgesamt eher schlecht. Als ich damals auf einer langen Radtour wie aus dem Nichts unfassbare Rückenschmerzen bekam, hatte ich kaum eine Chance Bewegung zu vermeiden. Vor mir lagen rund eintausend Kilometer Strecke und an Abbruch war nicht zu denken. Zu Beginn lagen die Schmerzen bei neun bis zehn auf einer Schmerzskala, deren oberes Ende zehn ist. In Bewegung waren die Beschwerden nicht vollständig weg, lagen aber eher bei vier oder fünf. Einige Tage konnte ich mich nicht einmal bücken oder beugen, bis es dann langsam zum Ende der Tour besser wurde und die Schmerzen danach fast vollständig verschwunden waren. Erklären konnte ich mir den Ursprung und den Verlauf nicht so recht. Die Auflösung kommt gleich.
Wieder zu Hause kamen die Schmerzen nach einigen Monaten wieder. Und weil es vernünftig erscheint, eine Diagnose zu ersuchen und eben Schmerzen zu vermeiden, habe ich mir auch irgendwie Ruhe verordnet. Besser wurde es dadurch nicht. Aber noch einmal: man hat das Gefühl, wenn man sich bewegt oder gar Sport treibt, geht irgend etwas unwiderruflich kaputt. Also lässt man das natürlich, wenn man nicht muss. Und begibt sich damit in eine Spirale aus bedingter Bewegungslosigkeit und dem Gefühl, dass es ohne Diagnose und schließlich ohne einen Eingriff nicht gehen wird.

Heilungsgedächtnis

Die Geschichte mit der Radtour habe ich nicht verstanden. Genau genommen war es mir sogar peinlich: Ausgerechnet bei meiner Lieblingsbeschäftigung ging das mit diesen chronischen Schmerzen los. Das war keine Erfolgsgeschichte. Dachte ich zumindest damals. Erst viel, viel später verstand ich, dass die Schmerzen nicht vom Radfahren kamen, sondern von der Anreise in den Nordosten Polens. Ich hatte fast 24 Stunden im Bus gesessen – bewegungs- und regungslos. Noch mehr also als ohnehin schon als Jungingenieur. Denn zu sitzen – im Büro und rund 30 bis 40 tausend Kilometer auf dem Weg zur Arbeit und im Außendienst im Auto – war sozusagen meine „Hauptbeschäftigung“. Nichts davon gefiel mir.

Also zurück zur Radtour: die Lösung des akuten Problems war also Bewegung. Und weil ich das nicht verstanden habe, bzw. ich das nicht zu Ende gedacht habe, konnte ich die zwischenzeitliche Heilung nicht als solche erkennen. Und weil jeder vernünftige Mensch Ruhe einhält wenn starke, unergründliche Schmerzen wiederkehren, tat ich das also auch. Es hat dann Jahre gedauert, bis ich die Schmerzen dauerhaft losgeworden bin. Dafür war nicht weniger als ein kompletter Wandel in meinem Leben notwendig. Die Diagnose des „Bandscheibenvorfalls“ war da nur eine Art Etappe auf dem Weg zum Erfolg.

Meine Lösung: Rad fahren

Meine tägliche Pendelstrecke zur Arbeit beträgt gut 30 Kilometer. Als junger Familienvater, war das Auto dafür erste Wahl und auch für die dienstlichen Zwecke, musste ich aufs Auto zurückgreifen. Ich habe dann beim Pendeln Rad und Bahn kombiniert und bin – so wie früher als Kind und Jugendlicher eben auch – bei jedem Wetter Rad gefahren. Tag für Tag rund acht Kilometer einfache Strecke und dazwischen mit der Bahn. Mit einem Zeitaufwand von 50 anstatt knapp 30 Minuten von Tür zu Tür. Dafür aber hatte ich nicht nur regelmäßig Bewegung, sondern auch Zeit für mich im Zug. Beides ein klarer Gewinn. Ich orientierte mich zudem beruflich um und konnte damit auch die vielen Kilometer im Außendienst deutlich reduzieren. Dass Bewegung die Lösung sein könnte, merkte ich auch am Sport. Der war zwar auch oft sehr schmerzhaft, danach ging es mir aber regelmäßig besser. Es wäre unsinnig, alles auf diese wenigen Faktoren zu reduzieren. Dafür ist das Zusammenspiel von Diagnosen, Therapien, Lebensumständen und deren Veränderung zu komplex. Und dennoch sage ich: Bewegung ist ein ganz, ganz wesentlicher Schlüssel.

Als es jetzt also etwas unerwartet eine Schmerz-Renaissance der Stärke acht gab, habe ich alles daran gesetzt in Bewegung zu kommen. Denn Spritzen – auch solche unter CT, Krankengymnastik, Akupunktur, warme therapeutische Moor-Bäder usw., brauchen ärztliche Unterstützung, Überweisungen, Terminabstimmungen und damit Zeit. Das alles und noch mehr, gehörte zum Potpourrie der Lösungsfindung vor über zehn Jahren. Jetzt also schnell ab aufs Rad, stundenlang und kilometerweit spazieren gehen, Übungen für Rücken und Beweglichkeit und Wärme für den unteren Rücken und den Brustkorb vorne. Man könnte meinen, ich wüsste was zu tun ist. Aber was man gerne vergisst: Schmerzen, die Dir Tränen in die Augen treiben, von denen Dir schlecht und schwindelig wird, sind nicht nur eindrucksvoll. Sondern auch extrem anstrengend. Sich nicht bewegen zu wollen, zur Ruhe zu kommen, dem Ganzen irgendwie ausweichen zu wollen, ist und bleibt ein nachvollziehbarer, ganz menschlicher Impuls. Und es dauert auch nicht lange, bis sich eine schnell ausbreitende Verzweiflung breit macht. Die Dich zusätzlich hemmt und „festhält“, der Bewegung und Lust daran entgegen wirkt. Ich habe jetzt binnen weniger Tage eine deutliche Besserung erfahren. Eine Garantie auf einen kurzfristigen Erfolg ist das nicht. Aber mittelfristig werde ich so oder so wieder schmerzfrei sein.

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