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Radverkehr

In Sachen Radverkehr – Europa mit zwei Rädern

Egal, in welche Stadt – ob klein oder groß – ich in den vergangenen Wochen gefahren bin: ich hatte selbst mit einem verhältnismäßig großen Auto kein Problem, die verwinkelsten Ecken zu erreichen, und meist sogar einen Parkplatz zu finden. Klar: die Fülle an Verkehr wirkte oftmals hemmend, aber die Infrastruktur in Europas Städten ist eindeutig aufs Auto ausgerichtet. Beim Umstieg aufs Rad fällt auf: es gibt zahlreiche Versuche, dem Radverkehr Raum zu verschaffen und dabei auch ungewöhnliche „Wege“ zuzulassen. Allen gemein ist indes, dass man nicht erwarten darf geschlossene Netze oder bis zu Ende gedachte Lösungen vorzufinden. Im Gegenteil – häufig wird eine bemerkenswerte Lösung zu einer schlechten Lösung, weil Übergänge fehlen, oder schlicht nicht weiter gebaut oder gedacht wurde. Frei nach dem Motto: sind ja nur Radfahrer, die können ja absteigen. Aber man stelle sich einmal vor was passiert, würde man das beim Autoverkehr versuchen. Aussteigen und schieben? Die Verkehrsführung endet einfach und geht in der querenden Straße auf. Wie lange hätte eine solche Lösung wohl Bestand?

Sieht einladend aus, erweist sich aber insbesondere an den Knotenpunkten als mindestens gewöhnungsbedürftig: Fahrspuren für gegenläufigen Radverkehr in der Mitte der Straße in Barcelona

Barcelona

Die spanische Stadt platzt in Sachen Autoverkehr aus allen Nähten. Das ist aber überall so, wo wir in diesem Sommer 2017 hinkommen. Per Rad machen wir uns auf den Weg am Mittelmeer entlang ins Zentrum. Unser Campingplatz in Badalono liegt etwas außerhalb, direkt am Wasser, ist aber durch eine mehrspurige Straße und die Bahnlinie vom Strand getrennt. Hier soll man nach Willen der Planer auf der Straße mit dem Rad fahren und ein skurriles Schild fordert die Autofahrer auf, mindestens 1,5 Meter Abstand beim Überholen einzuhalten. Das gibt der Fahrstreifen aber gar nicht her, es sei denn der Radler fährt AUF dem rechten Begrenzungsstreifen (ich meine den weißen Streifen) und quasi mit dem Lenker über der Leitplanke. Auf dem neben der Bahnlinie, direkt am Strand verlaufenden Weg ist Radfahren demgegenüber verboten. Auf einem ca. zwei Kilometer langen Stück. Wie man den Weg davor oder danach als Radler erreichen soll, bleibt unklar.
Im weiteren Verlauf wird die teils gut für den Radverkehr ausgebaute Strecke (siehe Titelbild) immer wieder durch Baulücken, Parkplätze und Schottenpisten unterbrochen. Durchgängig ist hier nichts – auch im Zentrum der Stadt nicht. Mal wird ein linker Fahrstreifen, der ehemals dem Autoverkehr gewidmet war, für gegenläufigen Radverkehr abgetrennt – sehr seltsam, wenn einen rechts die Autos überholen. Andernorts gibt es eine mit Grünflächen abgetrennte „Mittelspur“ für Radler. Das alles sieht sehr einladend aus, endet aber häufig und unvermittelt im Nirgendwo. Sicher fühle ich mich hier auf dem Rad nur an wenigen Stellen.

Wissen wo´s lang geht. Sieht gut aus, ist aber irgendwie verwirrend der Kreuzungsbereich mit innen angeordneter Radverkehrsführung.

Bordeaux und Arcachon

An der französischen Küste ist es im Sommer voll. Und man sollte erwarten, dass man alles unternimmt, um den Autoverkehr aus den Innenstadtbereichen und zum Beispiel der Promenadennähe fern zu halten. Tatsächlich gibt es in Bordeaux zwar eine rigide Parkraumbewirtschaftung, aber tatsächlich kaum Straßen, die man ausschließlich als Fußgänger benutzen kann. Und selbst dort trifft man immer wieder auf querenden Autoverkehr. Der sich – auch durch die Enge der verwinkelten Gassen, die schiere Menge und Ampelschaltungen teils weit zurück staut. In einem Küstenbadeort wie Arcachon wurde auch so rein gar nichts dafür getan, das Aufeinandertreffen von sonnenhungrigen Urlaubern und Autos zu entspannen. Am Ortseingang könnte auch ein Schild prangen auf dem steht: parken sie am besten gleich auf dem Strand.
Als Radler schlängelst Du Dich in Frankreich ebenso wie die Fußgänger durch die Autoschlangen und musst aufpassen, dass Du nicht an den Rand gedrängt wirst. Fahrradverleihsysteme gibt es in Bordeaux ebenso wie in Barcelona. Geeignete Infrastruktur ist hingegen: Fehlanzeige.

Fahrradstraße am Stadtrand von Paris. Da Autos natürlich zugelassen sind, bleibt kein Platz zum Überholen.

Paris

Die nächste Stadt, das gleiche Bild. Autos, wohin das Auge reicht und im Grunde endet die transnationale Autobahn auf dem inneren Stadtring. Auch hier radle ich vom Außenbezirk ins Zentrum. Dabei finde ich breite Radwege an der Marne und Seine vor, Fahrradstraßen sogar, die es aufgrund der Bauweise und ursprünglicher Widmung Autos auf langen Streckenabschnitten unmöglich machen, zu überholen. Ich fahre dann mal rechts aufs Bord, das nervt ja mit einem SUV am Hintern. Aber auch hier enden Wegabschnitte im Nirgendwo. Nicht nur der ortsunkundige Radler, weiß an vielen Stellen nicht, wie es weitergehen soll. Und wenn man sich einen Weg sucht, wird´s häufig genug brenzlig. Ich kann und will die französische Hauptstadt nicht anhand weniger Kilometer beurteilen. Aber mittlerweile hat sich in meinem Kopf ein Bild fest gesetzt. Das einer nach wie vor am Auto ausgerichteten Verkehrsinfrastruktur in europäischen Städten und Metropolen. Amsterdam und Kopenhagen sind die Ausnahmen, Bordeaux, Arcachon und Barcelona sind die Regel in einem zähen Entwicklungs- und Umbauprozess. Ja, auch ich bin mit dem Auto unterwegs und muss das ggf. überdenken. In Sachen Radverkehr und Verkehrswende ist unabhängig von der individuellen Verkehrsmittelwahl dennoch einiges zu tun. Und auch da zeigen die Vorreiter, wo die Reise hingeht: möglichst große Bereiche im unmittelbaren Zentrum vom Autoverkehr frei zu halten.

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